Der Kampf gegen Drogen im Knast

Bis zu 50 Prozent der Gefangenen in der Ulmer Höh’ sind vermutlich abhängig. Rauschgift kommt auf vielen Wegen in die Anstalt – die Beamten sind oft machtlos.

Düsseldorf. Der 29 Jahre alte Gregorio kann sich noch gut an die ersten Tage im Knast erinnern. An den Entzug. Nach zwölf Jahren an der Nadel wurde er innerhalb von neun Tagen "ausgeschlichen" - so nennen Mediziner die Drogenentwöhnung durch eine täglich verringerte Dosis Methadon. "Da fühlst du dich richtig beschissen", sagt Gregorio. Vor allem weil er sein Leben zum ersten Mal seit seiner Jugend klar sah, nicht durch den Schleier des Heroins. "Dir wird bewusst, was du für einen Mist gebaut hast."

Gregorio ist seit elf Monaten in der Ulmer Höh’. Und er ist sauber geblieben, sagt er. "Ich habe nicht ein einziges Mal mehr konsumiert. Aber hätte ich mir etwas besorgen wollen, hätte das auch geklappt."

Für Stephan Schlebusch, Leiter des Sozialdienstes in der Ulmer Höh’, sind solche Schilderungen keine Überraschung. In einer Sonderausgabe der Gefängniszeitung "Ulmer Echo" musste er im vergangenen Jahr sogar lesen, dass es in der JVA leichter sei, an Drogen heranzukommen als draußen. 550 Gefangene sitzen in der Anstalt. "Wir gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent abhängig sind", sagt Schlebusch. Von den unangekündigten Tests fällt meist ein Drittel positiv aus.

"Ich sehe seit zehn Jahren einen Anstieg der Drogenabhängigen im Strafvollzug", sagt Anstaltsarzt Daniel Bader, der zuvor schon in der JVA Köln gearbeitet hat. "Auch in Düsseldorf hat das Problem zugenommen", sagt Schlebusch. "Jetzt stagniert es nach meiner Einschätzung - auf einem sehr hohen Niveau."

Für Jürgen Hämmerling, der die Sicherheitsgruppe in der Ulmer Höh’ leitet, ist der Kampf gegen die Drogen ein täglicher Kampf gegen Windmühlen. "Wir wechseln ständig unsere Strategien. Aber wir rennen einem Phantom hinterher."

Jeder Berührungspunkt zwischen Knast und der Außenwelt ist eine potenzielle Lücke für den Rauschgiftschmuggel. Sie ganz zu schließen, würde bedeuten, den Gefangenen keinen Sozialkontakt mehr zu ermöglichen - und das verbietet der Resozialisierungsgedanke.

"Besonders schockiert es mich aber, wenn Angehörige Drogen schmuggeln", sagt Hämmerling. Schließlich sitzen die meisten Süchtigen wegen ihrer Beschaffungskriminalität. Drogen kommen in frischer Wäsche, in Babywindeln, eingenäht in den Saum von Hosen. Unter Briefmarken oder zwischen zusammengeklebten Postkarten. Zu Weihnachten ist meist ein Drogenspürhund in der JVA, der die zahlreichen Päckchen einmal komplett auf Rauschmittel abschnüffelt.

Trotzdem glaubt Schlebusch nicht, dass der Konsum im Knast leichter ist als draußen. "Wer jagt, der kommt an Drogen", sagt er. "Aber wohl nicht in der Menge wie draußen." Dafür spreche schon, dass die Preise etwa für Heroin in der JVA über dem Marktwert liegen. Dennoch: "Wir können es nur einschränken, nicht verhindern."

Der einzige Weg zu einer drogenfreien Anstalt sind also drogenfreie Häftlinge. Der Gesetzgeber legt deshalb inzwischen ein besonderes Augenmerk auf die Drogentherapie. Der Leitsatz heißt: Therapie statt Strafe. Demnach kann ein Teil der Haftstrafe erlassen werden, wenn der Gefangene erfolgreich eine Drogentherapie in einer anerkannten Einrichtung durchläuft.

Häftling Gino (29) ist seit anderthalb Wochen auf der Abstinenzorientierten Abteilung (AOA) der Ulmer Höh’. Er ist einer von 33 Männern, die hier auf ihre Therapie vorbereitet werden. Denn feste Abläufe, selbstständiges Organisieren des Alltags und vor allem die Sitzungen sind für die schwer Abhängigen nicht ohne Weiteres zu bewältigen.

"Hier haben wir schon mal Gruppengespräche und bekommen schon einen Hauch davon mit, wie eine Therapie abläuft", sagt Gino. Gregorio wird in wenigen Tagen seine Therapie antreten. Er fühlt sich gut vorbereitet. "Allein dass ich mich wieder mit Menschen unterhalten kann, ist für mich unglaublich." Aber vor ihm liegt noch ein harter Weg: Nur rund 20 Prozent schließen die Therapie tatsächlich ab.

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