Düsseldorf-Pempelfort Der Chorleiter, der keine Stimme mehr hat

Wie Stephan Hahn nach einem schweren Unfall zurück ins Leben fand. Verdis Requiem wird am Sonntag aufgeführt.

Düsseldorf-Pempelfort: Der Chorleiter, der keine Stimme mehr hat
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Wenn am Sonntag 80 Sänger und 50 Musiker Verdis Requiem anstimmen, steht Chorleiter Stephan Hahn ganz vorn. Seine Sing-Stimme haben die meisten der Künstler noch nie gehört. Denn die hat der 55-Jährige vor einem Vierteljahrhundert durch einen schweren Unfall verloren. Doch die Liebe zur Musik war stärker als die Folgen des tragischen Unglücks. Eine Geschichte zum Mutmachen.

Hahn hatte früh seine Begeisterung für die Musik entdeckt, schon mit 19 Jahren wurde er Chorleiter und Organist der Ludger-Kirche. Doch 1990 dann der schwere Unfall. „Ich habe geschlafen, meine damalige Frau ist gefahren“, erinnert sich Hahn. Auf der Autobahn 3 krachte das Auto gegen einen Brückenpfeiler, das Ehepaar überlebte schwer verletzt. Ein Jahr lang lag der Chorleiter im Koma — und verlor seine Stimme: „Ich wurde intubiert, dabei hat man den Knorpel verletzt.“ Seitdem ist nichts mehr, wie es vorher war.

Hahn kann nicht mehr singen. Nach langer Übung hat er eine Sprechtechnik entwickelt, sich mit einer ganz leisen Stimme verständlich zu machen: „Ich könnte es operieren lassen, aber die Chancen stehen 50:50, dass ich dann gar nicht mehr sprechen kann.“ Eine Arbeit als Chorleiter war ausgeschlossen, die Organistenstelle längst wieder besetzt. Schließlich fand Hahn eine Anstellung als Tonmeister beim WDR.

Eine Chance, für die er heute noch dankbar ist. 2005, also 15 Jahre nach dem Unfall, kamen ehemalige Mitglieder des Kirchenchors auf den Musiker zu und fragten, ob er nicht trotz der Behinderung wieder ihr Chorleiter werden wolle. Hahn überlegte nicht lange, zusammen mit 20 ehemaligen Sängern wurde der „Projekt-Chor“ gegründet, der inzwischen auf 50 Aktive im Alter von 14 bis 75 Jahren gewachsen ist.

„Bei den Proben ist es mucksmäuschenstill. Sonst würde es nicht gehen“, so der 55-Jährige. Statt vorzusingen, spielt er bei den Proben die Töne auf dem Klavier vor. Warum seine Sänger ihm die Treue halten, kann er auch erklären: „Andere Chöre singen Noten nach. Aber Musik muss vom Herzen kommen.“

Das will der „Projekt-Chor“ auch am Sonntag mit einer persönlichen Bearbeitung von Verdis „Requiem“ in der St. Adolfus-Kirche, Kaiserswerther Straße, zeigen. Beginn ist um 17 Uhr. Der Eintritt kostet 20 Euro, 14 Euro mit Ermäßigung.

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