Interview Akram Khan: „Der Teufel repräsentiert die Menschen selbst“

Düsseldorf · Der britische Choreograph inszeniert beim Düsseldorf Festival das Stück “Outwitting the Devil“. Es reagiert auf den Klimawandel und nimmt die Menschheit kritisch ins Visier.

 Akram Khan präsentiert mit seiner Tanz-Compagnie beim Düsseldorf Festival „Outwitting the Devil“.

Akram Khan präsentiert mit seiner Tanz-Compagnie beim Düsseldorf Festival „Outwitting the Devil“.

Foto: Lisa Stonehouse

Den Teufel austreiben will Akram Khan und beruft sich dabei auf den 4000 Jahre alten Epos „Gilgamesch“. Der 45jährige britische Tänzer und Choreograph, in London geboren, setzt sich auch in seinem neuen Opus mit seinen Wurzeln auseinander: Seine Familie stammt aus Bangladesch. Mit seiner Verbindung aus modernem Tanz und Ballett mit indischer Bewegungssprache hat er sich in den letzten Jahren international einen Namen gemacht. Ebenso mit der Choreographie für die Eröffnungsfeier der Olympiade 2012. Mit seiner Kompanie, die er 2000 gründete, wird er erstmals beim Düsseldorf Festival auftreten. Titel seiner neuen Show: „Outwitting the Devil“, was so viel heißt wie „den Teufel  austricksen“. Unsere Zeitung sprach mit Khan.

Herr Khan, „to outwit“ heißt im Deutschen „überlisten“. Was enthüllt der Titel “Outwitting the Devil” über Ihr neues Werk?

Akram Khan: Ursprünglich repräsentiert der Teufel für die Menschheit das Phänomen Zeit, Lebenszeit. Menschen wollen die Zeit austricksen, weil sie mit jeder Generation länger leben und damit, in bestimmter Weise, unsterblich werden wollen. Während meiner Arbeit und den Proben, in der wir das Gilgamesch-Epos be- und umgearbeitet haben, fand ich heraus: Der Teufel repräsentiert die Menschen selbst. Ich benutze den Teufel nicht als konkrete Figur, sondern als Metapher.

Welche Rolle spielt dabei das 4000 Jahre alte Epos von Gilgamesch?

Khan: Während der Vorbereitung stieß meine Dramaturgin auf einen Artikel über das Epos. Ein Teil der Gilgamesch-Geschichte wurde erst kürzlich im Irak entdeckt. Es geht darin um Gilgamesch und seinen Freund Endiku. Die beiden gingen in einen Zedernwald und zerstörten ihn. Ebenso vernichteten sie alle Kreaturen und Insekten –  alle, die dort lebten. Und sie schnitten die Zunge von Humbaba heraus, der den Wald bewachte. Endik bemerkte erst dann das große Verbrechen, das sie begangen hatten. Und es interessiert mich, wie dies mit unserer Zeit zusammenhängt.

Was hat Gilgamesch also 4000 Jahre später mit uns zu tun?

Khan: Genau das, was heute mit dem Regenwald im Amazonas geschieht, was wir heute der Natur antun und generell unsere Beziehung zur Natur. Dieser Teil des Epos hat für uns heute eine große Bedeutung, weil wir genau das Gleiche tun. Heute läuft eine Parallel-Geschichte ab. Wir machen die gleichen Fehler, aber mit  wesentlich größeren Folgen.

Wie kamen Sie persönlich auf das Thema?

Khan: Wie gesagt, es war meine Dramaturgin Ruth Little. Ich schaute mir anfangs das Bild „Das letzte Abendmahl“ von Leonardo da Vinci an. Wie auf dem Bild ist für mich der Amazonas unser letztes Kapital, symbolisiert unsere letzten Quellen, die wir zerstören, wenn wir weiter so konsumieren wie bisher, ohne der Erde etwas zurückzugeben. Das Stück ist also eine Reaktion auf den Klimawandel, nicht nur metaphorisch, sondern in ganz direkter Form. Wir müssen wissen, dass wir der Natur irreparable Schäden zufügen, die wir nie wieder gut machen können.

Es gibt also eine direkte Botschaft an das Publikum?

Khan: Ja, all meine Werke haben eine klare Botschaft an den Zuschauer. Hier geht es darum: Schaut euch selber an! Guckt nicht nach außen, sondern das Chaos spiegelt das Innere der Menschen. Ihr, die Menschen, müsst vor der eigenen Türe kehren und selber etwas tun.

Sie haben auch klassische Ballette wie „Giselle“ choreographiert. Was bedeutet klassisches Ballett für Sie?

Khan: Es ist ein faszinierendes Genre und eine faszinierende Welt, auch wegen der Tradition des klassischen Balletts. Es ist gleichsam alt und neu. Meine Giselle-Choreographie hat eine große Bedeutung für meine eigene Kompanie. Sie war ein wichtiger „Fußabdruck“ für meine weitere Arbeit. Die zeitgenössischen Stücke, die ich nach der Erfahrung mit „Giselle“ kreierte, waren anders als vorher. Denn ich trage dieses klassische Ballett nun in mir.

Sie waren auch Teil des verantwortlichen Teams für die Eröffnung der Olympiade 2012 in London. Steht diese Mega-Show nicht im Widerspruch zu Ihren Tanzstücken heute?

Khan: Ich denke, die Olympischen Spiele haben mir klargemacht, wie man mit Menschen-Massen umgeht, wie man sie im Stadion bewegen kann. Es hat Spaß gemacht und mich fasziniert. Ich würde gerne in dieser Richtung weiterarbeiten. Genauso wie ich das kleine, intime Format liebe – mit einem Solo oder Duett – und das auch weiter entwickeln will.

24. und 25. September beim Düsseldorf Festival im Theaterzelt, Burgplatz. Tel: 82 82 66 22.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort