Das Schachbrett als Symbol des Lebens

20 Menschen nehmen pro Tag vor den beiden obdachlosen Schachspielern Platz. Am Montag reisen sie weiter.

Düsseldorf. „Schach — das ist wie das Leben“, steht auf dem T-Shirt von Rudolf Kautz. Der 54-jährige Aussiedler aus Kasachstan sitzt zurzeit mit Wladyslaw Szatkowski (61) auf der Flinger Straße und fordert die Passanten zum Spiel um die Herrschaft der Könige auf. „Schauen Sie mal auf das Muster des Schachbretts. Dort wechselt sich immer das schwarze mit dem weißen Feld ab. Das ist wie das Leben.“ Kautz macht selbst keinen Hehl daraus, welche Farbe in seinem Leben dominiert hat. „Schwarz“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Doch das Strategiespiel war auch die Rettung für den Obdachlosen, der angibt, aus Stuttgart zu kommen. „Als ich vor vielen Jahren betrunken im Park saß, habe ich gegen mich Schach gespielt und mich selbst mattgesetzt. Da ist mir ein Licht aufgegangen.“ Kautz sah sein eigenes Dilemma: Er würde sich immer wieder mattsetzen — ohne soziale Kontakte, ohne Perspektiven, ohne Gegenspieler.

Also nahm er fortan auf der Straße nicht mehr die Flasche in die Hand, sondern baute sein Schachbrett auf und bittet seitdem per Zettel: „Liebe Leute, wer spielt mit mir eine Runde Schach?“ Und natürlich ist er Spenden nicht abgeneigt. „Aber wir spielen hier nicht um Geld“, ergänzt er sofort.

Die beiden Schachspieler haben es schon zu einiger Bekanntheit gebracht. Sogar Sat 1 hat sie schon begleitet. Zudem nehmen rund 20 Menschen pro Tag gegenüber von Kautz und seinem Kumpel Platz. Am Mittwoch gehörten auch Sandra (20) und David Romero (16) aus Burgos/Spanien dazu. Die Familie ist auf der Durchreise nach Bremen. Und beide setzten ihre Gegner matt.

„Wir spielen halt im Verein“, erklärt die junge Spanierin, während David Romero nicht vergisst, seinem polnischen Gegner ein Lob zu zollen. „Er spielt sehr gut dafür, dass er erst seit 20 Tagen spielt.“ Auch gegen Philippe Pesch hat der Pole bereits Niederlagen kassiert. Der Siebenjährige hat sich das Spiel mit seinem älteren Bruder beigebracht und von seinem Vater von den beiden Schachspielern gehört. Kautz und Szatkowski nehmen täglich vor dem Herrenausstatter Pesch Platz.

So richtig füllen will sich der Spendentopf der beiden reisenden Schachspieler trotz vieler Beobachter nicht. Nur wenige Euro-Stücke liegen in der Dose. „Hier gibt es überall Musiker auf der Straße“, begründet Rudolf Kautz die Flaute. „Lediglich unsere Gegenspieler werfen mal etwas rein. Menschen, die uns zuschauen, geben fast nie etwas.“

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