Theater : Ein Ort des Diskurses ohne Grenzen
Düsseldorf Das FFT wurde 1999 gegründet. Wir sprachen mit den Leitern über die Geschichte und Zukunft des Hauses.
Es trägt es schon in seinem Namen „Forum“, das Forum Freies Theater, kurz und liebevoll als FFT geduzt, ist ein Forum, ein Ort des Austauschs, ein Ort des Dialogs und des Experiments. Als man sich vor 20 Jahren dazu entschloss, den freien darstellenden Künsten, eine Heimat zu geben, war man vielleicht etwas spät dran.
Im Gespräch mit Leiterin Kathrin Tiedemann und dem leitenden Dramaturgen Christoph Rech anlässlich des Jubiläums des FFT kommt sogleich bei dem Blick in die vielseitige Geschichte des Theaters der Gedanke auf: „Wenn ich es aus meiner Perspektive einordnen soll, so ist das Datum 1999 eher ungewöhnlich für eine solche Gründung. Ich denke, das hat mit der speziellen Geschichte des Amateurtheaters in Düsseldorf zu tun, die durch den amerikanischen Regisseur und Theaterleiter Ernest Martin geprägt wurde“, sagt Tiedemann. Sie leitet das Haus seit 2004. „Mein Vorgänger Niels Ewerbeck hat die Anfänge – die ersten fünf Jahre – des FFT zusammen mit Carena Schlewitt gestaltet“, erklärt sie. Das Theater sei auch deshalb gegründet worden, um den verschiedenen Initiativen, die in den 90ern sich professionalisiert haben, eine Anlaufstelle zu bieten. Bewusst moderiert durch eine künstlerische Leitung. Und wie wichtig doch ist, dass der Begriff „professionalisiert“ fällt, denn hier gilt es mit Missverständnissen aufzuräumen. Freie Szene, freies Theater, freie Künstler heißt heute weniger denn je amateurhafte Versuche oder Hobby. Im Gegenteil, die vorderste Front des künstlerischen Diskurses findet heute nicht selten in jenen „freien Szenen“ statt.
„Die Stadt hatte sich wohl so etwas wie ein ‚Kampnagel NRW‘ gewünscht“, sagt Tiedemann. Erklärung: „Vieles von dem, was im FFT produziert und aufgeführt wird, hat eine hohe internationale Anschlussfähigkeit. Diese strukturelle Unterscheidung zwischen städtischen Bühnen und freier Szene findet man außer in Deutschland nur in wenigen anderen Ländern in Europa“, erläutert die Leiterin. Und hier liegt vielleicht ein Kernpunkt für einen noch zu führenden Diskurs. Inwieweit sind Kategorien wie Freie Szene, Freies Theater noch tragfähig, inwieweit sind Grenzen in Köpfen, die eigentlich nicht mehr recht funktionieren. „Wir haben kein eigenes Ensemble, sondern bieten eine Infrastruktur, professionelle Produktionsbedingungen, eine Dramaturgie und gestalten gemeinsam mit den Künstlern, die zu uns kommen, das Programm“, betont die Leiterin. Häuser wie das FFT kennen keine oder nur sehr wenige Grenzen, hier trifft sich jegliche Ausdrucksform, jegliche Kunstsprache, stellt sich in Kontext, öffnet Kontexte. Ob nun Theater, Performance, Tanz oder auch Musik: Das FFT, das „Forum“, war und ist ein Ort des Diskurses über alle Grenzen hinweg.
Fragt man die beiden nach ihren Höhepunkten aus der Geschichte des Hauses, so wird dies überaus deutlich. Tiedemann berichtet: „Für mich war die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Anna Malunat etwas ganz Besonderes. Wir haben zusammen eine Serie von Inszenierungen zum Thema Heimatlosigkeit entwickelt. Auch ,Sitt Marie-Rose’ nach dem gleichnamigen Roman von Etel Adnan über den libanesischen Bürgerkrieg, eine Koproduktion mit dem Theater Oberhausen, ebenfalls unter ihrer Regie, bleibt mir in sehr guter Erinnerung. Und zwar deshalb, weil es bei diesen Aufführungen zu ungewöhnlich intensiven Begegnungen mit dem Publikum kam.“ Und bei Rech spürt man auch genau diesen Impetus, denn für ihn seien weniger einzelne Aufführungen wichtig gewesen, vielmehr „Beispiele wie etwa Billinger & Schulz oder Alice Ferl, die schon als Schüler im FFT waren“. Jene haben sich, weil sie das entsprechende Umfeld beim FFT vorfanden, für eine professionelle künstlerische Laufbahn entschieden. „Es war und ist für uns sehr wichtig, uns um junge Künstler zu kümmern“, sagt Rech.
Vieles hat sich allerdings in den 20 Jahren geändert, wenngleich die Kontinuität, die große Neugierde des Hauses, an den beiden Standorten an der Jahnstraße (Kammerspiele) und Kasernenstraße (Juta) ist. „Die jungen Menschen sind heute keine Kunstkonsumenten mehr, die darauf warten, was ihnen vorgesetzt wird“, resümiert Rech. Die Generation habe ihr gesamtes Mediennutzungsverhalten geändert. „Vielleicht gucken sie noch Netflix, machen ihre Podcasts selbst, basteln ihre Videos selbst – die frühere, fast schon hierarchische Medien- und Kulturnutzung ist umgekrempelt“, sagt Rech Heute kommen sie mit der Frage zum FFT: „Wie ist man selber in den Prozess eingebunden?“