Das entkernte Gotteshaus

Seit zwei Jahren steht St. Peter leer, der Termin der Wiedereröffnung ist ungewiss. Doch die Kirche hat Schlimmeres überstanden.

Düsseldorf. "Was ihr dem Geringsten meiner Brüder tut, tut ihr mir" steht über der schweren Eingangstür von St.Peter. Auf ihren Flügeln sind menschliche Silhouetten eingeritzt, dazu Worte wie "Ich bin hungrig" und "Ich bin durstig". Wenn sich diese Flügel öffnen, öffnen sie den Weg in eine leere Kirche. Keine Bänke, kein Altar, kein Beichtstuhl.

Zwei Jahre steht St. Peter seit dem verheerenden Brand im Juni 2007 leer. Während das Leben im Stadtteil wieder seinen Gang geht, scheint die Kirche hinter ihrem Bauzaun zu verschwinden. Sie nimmt an diesem Leben nicht mehr teil. Statt Gottesdienstterminen und Pfarrbriefen hängt im Schaukasten vor dem Portal die Baustellenordnung. Wie lang kann ein Gotteshaus wohl entkernt sein, ohne seinen Kern zu verlieren?

Für die Menschen, die auf der Baustelle St.Peter arbeiten, ist die Kirche ein Projekt geworden. Und endlich ein Erfolg versprechendes: Das neue Dach ist fertig. Eine Wendeltreppe aus altem, dunklem Stein führt durch den engen Turm hinauf in das helle, frische Gebälk. "Wenn man auf dieser Treppe schnell genug läuft, ist es wie Kirmes", scherzt Architektin Beatrix Maier-Lamers. Sie ist oft hinaufgegangen.

Früher hat die 42-Jährige Reihenhäuser und Kindergärten gebaut. Eine Kirche zu sanieren, ist schon anders, sagt sie. Weil sie Wert erhält, statt ihn zu kreieren. "Aber das macht mir Spaß." Die Sakristei ist seit zwei Jahren ihr Reich. Mit braunem Filz wurde sie ausgelegt, zum Schutz vor den schweren Schuhen der Arbeiter. An den Kleiderhaken, wo immer liturgische Gewänder hingen, baumeln jetzt gelbe Bauhelme.

Im Juni 2007 ist das Dach, das sie jetzt wieder aufgebaut hat, vor den Augen von Beatrix Maier-Lamers niedergebrannt. "Ich habe am Kirchplatz gestanden, einfach zugesehen. Wie so viele andere." Die Architektin sah ihre Arbeit kaputt gehen- sie hatte zuvor schon die Fassade saniert. Die Katholikin, die sie auch ist, sah vor allem eine Kirche in Flammen.

Heute zeigt Beatrix Maier-Lamers eine Brandschutztür im Turm, die in den neuen Dachstuhl führt. "Nur dieser Tür ist es zu verdanken, dass der Turm nicht abgebrannt ist." Die schmale Pforte hatte ein Übergreifen des Feuers verhindert. Ansonsten wäre von der Spitze St. Peters wohl nicht viel übrig geblieben. Ein großes Glück. Oder wie auch immer Architekten und Katholiken es ausdrücken mögen.

Für St.Peter war das Feuer nicht der erste Niedergang. Klaus Philippen(67) vom Kirchenvorstand ist in dieser Kirche schon getauft worden - und hat sie im Zweiten Weltkrieg fast vollständig am Boden liegen sehen. "Der Schutt wurde damals zum Aachener Platz gefahren, zur großen Sammelstelle ,Monte Klamott’." Nach einer würdigen Ruhestätte klingt das nicht.

Erst 1981 war St. Peter vollkommen wiederhergestellt. Der Turm, die Gewölbe, die "Ich bin hungrig"-Tür am Eingang - kaum etwas an der Kirche ist noch original, von 1898. In drei Jahren wurde die Kirche damals erbaut - jetzt waren es zwei Jahre nur für das Dach. Klaus Philippen hat sich daran gewöhnt, dass St.Peter ständig aufgebaut wird und selten einfach steht. Inzwischen jedoch ist er angesichts des nahen Endes der Sanierung abergläubisch: "Man schaut schon ängstlich auf den U-Bahn-Bau - nach den Vorfällen in Köln."

Aber für St. Peter wird es höchste Zeit, seinen lebendigen Kern zurückzubekommen. "Die Gemeinde verläuft sich allmählich", sagt Philippen. "Nur die alten Leute fragen immer nach, sie wollen unbedingt in ihre Kirche." Die scheint nur zu warten. Wenn auch das Mobiliar fehlt: Flammen und Baustaub haben den kühlen, sakralen Geruch in ihrem Innern nicht verändert. Auch der große Hall zwischen den Säulen ist noch da, der jeden Schritt unweigerlich zum Schleichen werden lässt. In der christlichen Symbolik ist eine Kirche Abbild der Himmlischen Stadt. Eine Verheißung. Die Himmlische Stadt St.Peter war beinahe öfter kaputt als heil. Aber sie entsteht wieder. Es braucht keine Religiosität, um darin etwas Gutes zu finden.

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