Coronavirus Die gesamte Event-Branche steht vor dem Kollaps

Düsseldorf · Von Schaustellern, Zeltverleihern, Caterern bis zu Einzelkämpfern wie Stadionsprecher André Scheidt. Viele Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

 Stadionsprecher André Scheidt, Veranstalter Stefan Kleinehr, Caterer Georg Broich, Moderator Marc Pesch und Schaustellerchef  Oliver Wilmering fordern mehr Klarheit von der Politik.

Stadionsprecher André Scheidt, Veranstalter Stefan Kleinehr, Caterer Georg Broich, Moderator Marc Pesch und Schaustellerchef  Oliver Wilmering fordern mehr Klarheit von der Politik.

Foto: Anke Hesse

Eigentlich hätte Caterer Georg Broich am Mittwochabend 3500 Gäste im VIP-Bereich von Borussia Mönchengladbach bewirten sollen. Der Auftrag wurde ebenso storniert wie viele andere: „Im Moment wird praktisch alles abgesagt. Nicht nur Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen.“ Das Coronavirus trifft die gesamte Event-Branche wie ein Hammerschlag. In einer gemeinsamen Pressekonferenz erläuterten am Mittwochvormittag Konzertveranstalter, Zeltverleiher, Schausteller, aber auch Einzelkämpfer wie André Scheidt, der Stadionsprecher der Fortuna und der DEG, warum viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Kritik üben die Event-Macher auch an der 1000-Besucher-Grenze für Veranstaltungen. Das sei eine völlig aus der Luft gegriffene Zahl, für die es keine vernünftige Grundlage gebe.

Die Lage in der Branche sei dramatisch, so Mike Schöneberg, der Personaldienstleister für Großveranstaltungen wie „Rock am Ring“ ist und rund 350 Mitarbeiter hat. Am 4. April wollte er mit dem Techno-Festival „Time Wharp“ in Mannheim in die neue Saison starten. Die mit 20 000 Besuchern ausverkaufte Veranstaltung wird wohl ausfallen: „Mein gesamtes Büropersonal habe ich schon nach Hause geschickt. Wenn wir nicht bald wissen, wie es weiter gehen wird, muss ich Leute entlassen.“

Eine Katastrophe ist die Situation auch für für Schausteller. „Die ersten Veranstaltungen wie die Kirmes in Münster am nächsten Wochenende sind schon abgesagt. Einige Kollegen hatten da schon fertig aufgebaut“, berichtet Düsseldorfs Schaustellerchef Oliver Wilmering. Das sei deswegen besonders problematisch, weil viele Schausteller gerade erst aus der Winterpause kommen und die Einnahmen dringend benötigen. Zurzeit sei auch fraglich, ob und unter welchen Umständen die Osterkirmes auf dem Staufenplatz stattfinden kann, das ist traditionell der Auftakt für die Kirmessaison.

„Uns hat das am Dienstag wie ein Blitz getroffen“, sagen Hans-Georg und Frederic Späth, die Zelte für Brauchtumsveranstaltungen und Großevents vermieten. Ihnen sind innerhalb eines Tages praktisch alle Veranstaltungen weggebrochen: „Der Schaden liegt jetzt schon im hohen sechsstelligen Bereich. Wir können auch keine Kurzarbeit machen, wenn überhaupt keine Arbeit da ist.“ Das Familienunternehmen hat rund 300 Mitarbeiter.

Konzertveranstalter Stefan Kleinehr, der die Karnevalssession gerade noch unfallfrei überstanden hat, bereitet gerade eine 50-Städte-Tour mit der Band Brings vor: „Das sind alles Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen. Die größte ist der ausverkaufte Tanz in den Mai, für den 10 000 Karten verkauft sind.“ Da droht ein Totalverlust. Ausweichtermine für abgesagte Konzerte seien oft nicht möglich.

Für die Branche geht
es auch um Haftungsfragen

Was die Event-Experten beklagen, ist die völlig unklare Lage. Es seien bislang nur Empfehlungen ausgesprochen worden, Veranstaltungen abzusagen. Das sind keine Verbote. „Da geht es dann auch um Haftungsfragen. Den Veranstaltern und uns wird dann praktisch der Schwarze Peter zugeschoben“, beklagt sich Sven West, Sänger der Räuber und Bandleader.

Verärgert sei man auch über die völlig willkürlich festgesetzte Obergrenze von 1000 Personen. Dafür gebe es überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage. „Wir brauchen andere Regelungen, zum Beispiel wie viel Quadratmeter pro Gast vorgeschrieben sind“, fordert Georg Broich. Wenn die Fortuna ohne Zuschauer spielt und dann die Fans in engen Kneipen vor dem Fernseher aufeinander hängen, sei das bestimmt nicht die bessere Lösung.

Kritik gibt es auch daran, dass die Regelung „bis auf Weiteres“ gelte, das sei völlig schwammig. Broich: „In Bayern hat man zum Beispiel klar gesagt, dass die Maßnahmen vorläufig bis zum 17. April bestehen bleiben sollen. Das kann natürlich auch noch einmal verlängert werden, gibt aber zumindest eine gewisse Planungssicherheit.“ Am späten Mittwochabend jedoch gab die Stadt eine Allgemeinverfügung bekannt, in der auch das von den Veranstaltern gewünschte Datum veröffentlicht wurde: Zunächst bis zum 22. April sind Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern gleichzeitig untersagt.

Betroffen sind aber auch Einzelkämpfer wie André Scheidt, der Stadionsprecher von Fortuna und DEG: „Ich hatte im vergangenen Jahr 142 Veranstaltungen. Jetzt bricht mir gerade eine nach der anderen weg.“ Für ihn war das Ende der Eishockey-Saison ein schwerer Schlag. Auf dem Schaden bleibt er sitzen.

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