Vortrag Düsseldorf – die erste Patenweinstadt des Dritten Reiches

Düsseldorf · Germanist Christof Krieger erinnerte unter dem Titel „Saufen für den Führer“ an dies Stück Stadtgeschichte.

Düsseldorf ist ja eigentlich eine Bierstadt. Alt(e) Tradition. Aber in der Stadt wird auch gerne Wein getrunken. Davon zeugt nicht nur die wachsende Zahl von Weinständen zum sofortigen Konsum auf dem Carlsplatz oder die regelmäßige Aufbau von Verkostungsständen auf dem Rathausvorplatz. „ProWein goes City“ heißt es zudem im Frühling, wenn sich Weinkenner und -Liebhaber aus aller Welt auf der Fachmesse ProWein treffen. Der Branchentreff, der erstmalig 1994 in Düsseldorf stattfand, ist inzwischen der größte für Experten aus Anbau, Erzeugung und Vermarktung, für die Gastronomie und den Handel, in diesem Jahr vom 15. bis 17. März 2020.

Im Wein liegt aber noch eine andere Wahrheit der Stadtgeschichte, die zwar die selten oder nie zum Zuge kommt: Düsseldorf war 60 Jahre vor der ersten ProWein die erste Patenweinstadt des Dritten Reiches. Der Germanist Christof Krieger vom Mittelmosel-Museum in Traben-Trabach hat 2015 über die Propaganda für das Volksgetränk Wein im Dritten Reich promoviert. Auf Einladung des Düsseldorfer Geschichtsvereins gab er jetzt in der Mahn- und Gedenkstätte einen spannenden Einblick in diese weinunseligen Zeiten, in denen die Verpanschung von Wein- und Wahlwerbung zwar geleugnet wurde, dennoch kühn kalkuliert war. Kriegers süffiger Titel: „Saufen für den Führer“.

„Wein ist Volksgetränk“, hieß die Parole, die die deutschen Winzer unterstützen sollte, obwohl damals in Deutschland weniger Wein produziert als konsumiert wurde. Doch Import war verpönt. Durch deutsche Kehlen sollte nur deutscher Wein rinnen. 30 Pfennige kostete ein Glas, was in etwa dem Stundenlohn eines Arbeiters entsprach. Also schon damals eher ein Getränk der gehobenen Bürgertums.

Jede Stadt über 5000 Einwohner war aufgerufen, eine Wein-Patenschaft einzugehen. Diese Kooperation des NS-Regimes mit den Winzern hatte ihren Ursprung am Rhein in Düsseldorf. Die Propaganda dafür entsprach der damaligen Gebrauchsgrafik auch für politische Propaganda in der bekannten zackigen Typografie: Auf holzschnittartigen Plakaten stemmten liebliche Weinköniginnen prächtige Pokale.

Nach französischem Vorbild wurde ein „Deutscher Weintag“ auch als „Tag der Traube“ propagiert, an dem es für alle Männer und Frauen eine Ehrenpflicht sein sollte, mindestens einen Pokal deutschen Weines zu trinken. Das Volksgetränk sollte sogar der Volksgesundheit dienen. Und Düsseldorf war 1934 bereits Vorreiter der Kampagne.

Patenweinort war damals Wiltingen an der „deutschen Saar“. Christof Krieger: „eine der frühen Nazi-Hochburgen“. Das Motto: „Die Großstadt hilft dem Winzerdorf“. Der Dorfschulze aus Wiltingen wurde offiziell im Düsseldorfer Rathaus empfangen, ein Ratsherr als Pate des Weinfestes abkommandiert, in einem Hotel in Bahnhofsnähe eine Patenweinstube eingerichtet, wo sich die Funktionäre trafen. In sämtlichen Gaststätten wurde fortan dem Volk Wein aus Wiltingen eingeschenkt.

Es gab einen Festumzug, bei dem auch Parteiführer hoch zu Ross durch die Stadt ritten. Die Lokalpresse berichtete begeistert: „Den Wein ins Glas, die Wangen glühn der Düsseldorfer Jungen.“

War Hitler Weintrinker, wollte ein Zuhörer nach dem Vortrag wissen. Offiziell nicht, schmunzelte Krieger, aber es gebe Aufnahmen, die ihn mit einem Glas Wein und einem Stück Würfelzucker in der Hand zeigen.

Ein Bild, das die Veranstalter von ProWein sicher nicht im Blick hatten, als sie jüngst in einer Pressemitteilung Mary Poppins mit ihrem „Löffelchen voll Zucker“ im Trendbericht über trockene Weine zitierten. Trocken dazu auch der Kommentar von Krieger zu seinen vergeblichen Recherchen in der Gegenwart: „Die Weinbranche ignoriert dieses Kapitel“. Es ist allerdings auch kaum bis überhaupt nicht bekannt, und auch für Christiane Schorn, Pressesprecherin der ProWein, neu: „Ich habe hier Geschichte studiert, aber die kannte ich nicht.“

Bei der aktuellen ProWein im März 2020 werden wieder etwa 1000 deutsche Winzer dabei sein, aber der Fokus liege klar auf der Internationalität: 6900 Aussteller aus 60 Nationen.

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