Ballett am Rhein Choreograph Ben Riepe: Die Tänzer sind keine Objekte

Ben Riepe lässt bei seinen Choreografien die Frauen und Männer von Anfang an mitwirken.

Ballett am Rhein: Choreograph Ben Riepe: Die Tänzer sind keine Objekte
Foto: Gert Weigelt

Die meisten Choreographen suchen ein Musikstück aus, um sie in bewegte, manchmal auch bewegende Tanz-Bilder zu verwandeln. Kompositionen von Mozart, Schubert oder Tschaikowski können dabei als Grundlage dienen oder Impulse für Schrittkombinationen, Sprünge und Pirouetten geben. Ganz anders bei Ben Riepe. Der an der Essener Folkwang-Hochschule ausgebildete Tänzer, Jahrgang 1979, der in seinen Anfängen in der Truppe von Pina Bausch, später im „Neuen Tanz“ von VSA Wölfl tanzte, benutzt bei seinen Arbeiten meist keine vorgefertigte Musik. „Tänzer sind Instrumente“, erklärt der Choreograph, der jetzt das erste Mal für das Ballett am Rhein kreiert.

„Environnement“ heißt sein Opus, das im Rahmen des Ballettabends b.35 uraufgeführt wird. Sein Stück steht in dem Dreier-Abend neben zwei anderen Kreationen von Remus Sucheana und von Ohad Naharin. Unsere Zeitung stellt die drei Choreographen in einer Serie vor. Nach dem Auftakt mit Sucheana (Direktor des Rhein-Balletts) geht es heute um den in Düsseldorf lebenden Künstler Ben Riepe.

Seine Performances und ungewöhnlichen Stücke, die nichts mit klassischem oder neoklassischem Ballett zu tun haben, wurden häufig ausgezeichnet und haben es in der Freien Szene zu Berühmtheit gebracht. Im Tanzhaus NRW und Pact Zollverein in Essen waren sie zu sehen, wie auch in der Düsseldorfer Kunsthalle oder wie kürzlich im Rautenstrauch-Jost-Museum in Köln. Denn seine Arbeiten (seit 2009 gefördert von Stadt und Land) pendeln eher zwischen visueller und darstellender Kunst. „Mich fasziniert das Spannungsfeld, in dem sich der Körper befindet, und seine Rollen als Instrument, als lebendes Kunstobjekt und als Mensch selbst.“

Tänzer stoßen Sounds aus, meint er. Deshalb üben die Athleten für „Environnement“ — darin geht es um künstliche und natürliche Umwelt/Umgebung — nicht nur täglich im Ballettsaal. Sondern Opernsängerin Roman Noack trainiert auch ihre Stimmen. Ein Novum für die meisten Tänzer von Martin Schläpfers Kompanie, die Riepe während des Trainings oder Proben für andere Stücke beobachtete. Er wählte diejenigen aus, von denen er glaubte, dass sie seinen ungewöhnlichen Schaffensprozess bewerkstelligen und anreichern könnten.

Denn anders als zum Beispiel Sucheana, gibt Riepe keine Schrittfolgen vor, macht Tänzer nicht zu Objekten einer choreographischen Idee, sondern die Athleten sind von Anfang an Subjekte, wirken mit, und das nicht nur bei Improvisationen. „Was will der Mann?“ hätten sich einige von den Frauen und Männern, die sonst an die Umsetzung von minutiösen Vorgaben der Choreographen gewöhnt sind, anfangs gefragt. Doch nach einer Eingewöhnungsphase „flossen die Bewegungen aus ihnen heraus, wie aus einem Wasserfall“, freut sich Riepe. Die Proben für das 30-Minuten-Stück, die insgesamt acht Wochen dauerten, „waren für beide Seiten eine Entdeckung“, meint er. Was genau zu sehen sein wird, will Riepe, der auch Dekor, Kostüme und Licht kreiert, drei Wochen vor der Premiere nicht verraten. Nur so viel: Geräusche kommen vom Band, Schwarz-Weiß dominiert, daneben auch Moos. Viele Szenen seien noch im Entstehungsprozess.

Inhaltlich gehe es um „Grenzen des Körpers, in seiner polarisierenden Haltung zwischen „Körper-Haben“ und „Körper-Sein“. Und er sagt: „Ich dramatisiere, abstrahiere und re-formuliere dadurch Fragen zu Konzeptkunst und Skulptur“, so der Choreograph, „und nähere mich dabei dem Nullpunkt in der Bewegung.“ Das klingt rätselhaft, intellektuell überhöht, wenig konkret und nicht gerade sinnlich. Man darf darauf gespannt sein, was Riepe und die Tänzer am 27. April zeigen werden, was die Zuschauer zu hören und zu sehen bekommen.

Ballettabend b.35: 27. April, 3., 5., 8., 18. Mai. Weitere Infos unter Telefon 89 25 211.

operamrhein.de

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