Chef der Schiedsrichter: „Von der Kreisliga A an ist es sicher“

Düsseldorf. Martin Warmbier, Chef der Schiedsrichter, spricht im Interview mit der WZ über die Lage in Düsseldorf, Nachwuchssorgen des Verbands und Gewalt in der Kreisliga.

Am Wochenende stand der erste Spieltag in der Kreisliga an. Wie fällt das Fazit aus Sicht der Schiedsrichter aus?

Martin Warmbier: Wir sind alle froh, dass es wieder losgeht. Die ganze Vorbereitung ist ja sowohl für die Mannschaften als auch die Schiedsrichter irgendwann nervig. Jetzt zählt es. Und im Großen und Ganzen war es ein ruhiger Start.

Wie viel Organisation steckt hinter einer Saison für die Schiedsrichtervereinigung?

Warmbier: Für uns Schiedsrichter gibt es ja gar keine richtige Sommerpause. Sobald die letzten Spiele der alten Saison vorbei sind, fangen die ersten Mannschaften schon eine Woche später wieder mit dem ersten Testspiel an. Höherklassige Mannschaften, wie die TuRU, beginnen sofort mit der Vorbereitung und brauchen deswegen Schiedsrichter.

Trotzdem ist der Start der Meisterschaft doch noch mal ein ganz anderer Aufwand.

Warmbier: Richtig, wenn ein Freundschaftsspiel mal unbesetzt bleibt, ist das zwar unglücklich, aber die meisten Mannschaften können damit leben. In der Saison darf das natürlich nicht passieren. Fällt ein Schiedsrichter kurzfristig aus, müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen und für Ersatz sorgen. Dann kann auch mal am späten Samstagabend oder erst Sonntag wenige Stunden vor dem Spiel passieren.

Wie viele Stunden sind Sie in der Woche mit der Schiedsrichterei verbunden?

Warmbier: Mindestens drei Stunden täglich. Wir haben aktuell um die 160 Schiedsrichter in Düsseldorf, die in unterschiedlichen Klassen bei hunderten Spielen im Einsatz sind und regelmäßig geschult werden. Das muss organisiert werden. Es gibt Jüngere, die nur in der Jugend pfeifen, weibliche Schiedsrichter, die nur die Damen pfeifen, und solche, die alles pfeifen. Am Spieltag haben wir in den sieben Düsseldorfer Kreisligen um die 50 Spiele, dazu kommen höhere Klassen wie die Ober-, Landes- und die Bezirksliga. Und in der Jugend sind es noch mal unendlich viele mehr. Aber diese besetzen wir nicht alle. Bei den Kindern pfeifen oft die Trainer oder Eltern.

Während die Spieler immer mehr werden, hört man immer wieder von Nachwuchsproblemen im Schiedsrichterbereich. Gilt das auch für Düsseldorf?

Warmbier: Das gilt auf jeden Fall auch für uns.

Wie viele Schiedsrichter fehlen?

Warmbier: Das kann man so nicht genau sagen. Wenn zum nächsten Lehrgang am kommenden Donnerstag 25 junge Leute kommen würden, wäre ich sehr zufrieden. Damit sind natürlich nicht alle Probleme gelöst, aber es wäre ein Anfang.

Erleben sie auch Trends, beispielsweise durch berühmte Schiedsrichter wie Markus Merk oder dem Italiener Pierluigi Collina? Kommen dann mehr interessierte junge Leute zu ihnen und wollen Schiedsrichter werden, weil sie berühmte Vorbilder haben?

Warmbier: Ja, das kann man schon sagen. Gerade jetzt, wo Leute wie Merk oder Collina nicht mehr aktiv sind, merkt man, dass sich weniger junge Menschen für uns interessieren. Der Schwung, den wir durch die beiden hatten, ist in den letzten Jahren etwas verloren gegangen. Heute pfeifen zwar auch viele Deutsche große internationale Spiele, aber man hat nicht mehr so die markanten Gesichter unter den Schiedsrichtern, die teilweise selbst zu Stars werden.

Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der immer mehr Kinder und Jugendliche Fußball spielen.

Warmbier: Ja, vor allem die Frauen- und Mädchenmannschaft ziehen stark an. Es gibt jetzt auch zum ersten Mal eine eigene Frauen-Kreisliga in Düsseldorf, das ist eine komplett neue Spielklasse. Und die brauchen natürlich auch jede Woche ihre Schiedsrichter. Wenn es so weiter geht, dass ständig neue Mannschaften und Ligen bei Damen und Herren dazukommen, wird es für uns irgendwann knapp.

Gäbe es einen Düsseldorfer Bundesligaschiri, wäre das für sie ein Sechser im Lotto, um Nachwuchs zu bekommen.

Warmbier: Wir sind schon sehr froh, dass wir Marija Kurtes haben, die jetzt ja auch für die Fifa pfeifft. Das hätte sie auch schon früher getan, aber es lag an ihrem Alter. Sie war bislang einfach zu jung, um früher da rein zu rutschen. Sie ist eine Granaten-Schiedsrichterin und pfeift nicht nur Frauenspiele, sondern auch schon die Vierte Liga bei den Herren.

Was trauen sie ihr langfristig zu?

Warmbier: Sie hat noch sehr viel Luft nach oben, sie war bislang eben zu jung. Aber wir versprechen uns noch sehr viel von ihr.

Warum gibt es derzeit keinen Düsseldorfer Schiedsrichter, der Bundesliga pfeift?

Warmbier: Das liegt im Wesentlichen daran, dass der DFB sehr stark umstrukturiert hat und dass die Aufstiegsmöglichkeiten nicht mehr so gegeben sind. Der Profibereich ist streng unter den Landesverbänden aufgeteilt.

Ganz lässt sie die Bundesliga aber jetzt schon nicht kalt. Am Wochenende gab es viele Diskussion um Rote Karten. Strahlt so etwas bis in die Kreisliga?

Warmbier: Das tut es auf jeden Fall. Gerade wenn die Spieler am Samstag in der Sportschau eine bestimmte Szene gesehen haben, und in der Kreisliga passiert dann etwas Ähnliches. Dann ist das Geschrei natürlich groß: 'Aber gestern in der Bundesliga war das ganz anders.' Oder: 'Das ist dasselbe wie gestern in der Bundesliga.' Das hört man immer wieder. Aber dieses Wochenende hatte es einen positiven Effekt. Die vielen Roten Karten in der Bundesliga am Samstag haben dazu geführt, dass es am Sonntag in der Kreisliga ruhiger war.

Trotzdem machen auch ihre Kollegen hin und wieder Fehler. Was tun sie dagegen?

Warmbier: Wir führen mindestens ein mal im Monat Regelschulungen durch, bei denen Änderungen oder praktische Tipps angesprochen werden.

Gibt es auch für Schiedsrichter, die seit 30 Jahren pfeifen, noch regelmäßig Schulungen?

Warmbier: Ganz klar. Wir erwarten nicht nur, dass unsere Schiedsrichter regelmäßig Praxiserfahrungen auf dem Platz sammeln, sondern auch an den theoretischen Schulungen teilnehmen. Mindestens ein Mal im Monat.

Das heißt, ein Schiedsrichter hat weit mehr zu tun als ein Mal in der Woche 90 Minuten auf dem Platz zu stehen. Bei der geringen Bezahlung sind die meisten wohl Überzeugungstäter.

Warmbier: Ja, das ist ein wichtiger Faktor. Da würden wir uns für die Zukunft wünschen, dass das vielleicht mal etwas mehr wird. Aber auch dafür gibt es feste Regeln und Strukturen.

Ein leidiges Thema für die Unparteiischen ist die Gewalt. Man hört immer, dass es insgesamt weniger geworden ist, aber die einzelnen Fälle seien härter. Lebt man als Schiedsrichter auf Düsseldorfer Fußballplätzen gefährlich?

Warmbier: Das kann man so nicht sagen. Es gibt natürlich diese Fälle. Aber das ist auch spielklassenabhängig. Es gibt Klassen, in denen die Hemmschwelle geringer ist als in anderen. Von der Kreisliga A an aufwärts kann man das so nicht bestätigen, aber in den unteren Spielklassen ist es teilweise schon unschön.

Geht das nur von den Spielern aus?

Warmbier: Durch Spieler, Zuschauer, Eltern. Es geht dabei auch nicht immer gegen den Schiedsrichter. Auch Spieler und Zuschauer untereinander bekommen sich in die Haare. Aber insgesamt hat die Gewalt schon etwas zugenommen.

Was wünschen sie sich für die anstehende Kreisliga-Saison?

Warmbier: Dass die Schiedsrichter unbeschadet durch die Saison kommen. Dass man sich darauf besinnt, dass es ohne den Schiedsrichter nicht geht und alle verstehen, dass Fußball ein schönes Hobby ist und wir mehr Verständnis für unsere Schiedsrichter bekommen, wenn sie doch mal einen Fehler machen.