Bürgerbühne führt die Schönheit vor

In „Maßlos schön“ bewegen sich die Mitspieler nur selten jenseits der Oberfläche.

Bürgerbühne führt die Schönheit vor
Foto: Sebastian Hoppe

Ihr Blick ist starr. Dann freundlich. Dann wütend. Acht Frauen und Männer marschieren stumm am Publikum vorbei, stolzieren wie auf einem Catwalk über die Bühne im Central. Dreimal nimmt der Betrachter sie in Augenschein: jung, alt, dünn, dick, attraktiv, unsympathisch, ungewöhnlich. Noch bevor diese mutigen Düsseldorfer ein Wort gesagt haben, hängen Beurteilungen wie Etiketten an ihnen. In den folgenden eineinhalb Stunden schlagen sie sich damit herum, erzählen von ihren Versuchen, sie loszuwerden und ganz sie selbst zu sein. Sie zitieren fiese Facebook-Chats und dumme Zeitungsinterviews, teilen intime Selbstbetrachtungen und vertuschen erdrückende Selbstzweifel.

Dass sich die Protagonisten von „Maßlos schön“, der dritten Bürgerbühnen-Produktion in dieser Spielzeit, dabei nur in wenigen Momenten jenseits bekannter Oberflächlichkeiten bewegen, ist ihnen kaum vorzuwerfen. Es gehört zur Idee der Bürgerbühne, dass Menschen aus der Stadt sich zu einem Thema zusammenfinden und ihre Geschichten und sich selbst der Theaterkunst als Material zur Verfügung stellen. Sie sind keine Profis, ihre Rollen entwickeln sich aus den eigenen Biografien.

Dass daraus überzeugende Formate für das Schauspielhaus entstehen können, beweisen bislang „Der Sommernachtstraum“ und „Verlorene Lieder“. Beide Aufführungen zeichnet eine kluge Regie aus, die aus dem Vorhandenen etwas Neues schafft, aus Fragementen eine Einheit kreiert.

Entsprechend hoch sind die Erwartungen, die Regisseurin Suna Gürler mit diesem Theaterabend nicht erfüllt. Mit enormem Energieaufwand und doch häufig hilflos bewegen sich die Frauen und Männer, schaffen Kameras und Mikros hin und her, filmen sich selbst und andere, befragen sich gegenseitig und kommen mit ihrer Vorführung der Schönheit nicht vom Fleck. Viele Ideen geraten zu einem gut gemeinten Mischmasch, dem ein roter Faden ebenso fehlt wie ein starkes Konzept, in dem sich die unerfahrenen Darsteller sicher bewegen könnten.

Dabei ist es durchaus bemerkenswert, was die 19-jährige Tamara Hoppe alles nicht tut, um die Aufmerksamkeit von ihrem Körper abzulenken: Das reicht von Nicht-in-der-Öffentlichkeit-essen bis hin zu Nicht-umarmen-lassen. Oder Hilke Kluth, seit 40 Jahren Tänzerin, die davon träumt, zu sein wie Pina Bausch. Oder Tim Sassen, der als Schüler gehänselt wurde, weil er 120 Kilo wog. Der Speck ist weg. Was bei ihm und den anderen geblieben ist, dafür findet „Maßlos schön“ keine überzeugende Bühnensprache.

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