Boris Neisser - Organisator des Frankreichfestes

Boris Neisser ist unermüdlicher Organisator des Frankreichfestes. Dass er sein Augenlicht fast verloren hat, nimmt ihm nicht den Mut.

Düsseldorf. Die Keimzelle des Düsseldorfer Frankreichfestes liegt im bretonischen Kérity, wo ein siebenjähriger Junge vor 40 Jahren einen Aal fing, der sich um seinen Arm schlängelte. Es war Boris Neissers erster Fang und der Beginn einer großen Liebe. Zu Frankreich, seinen Menschen, seiner Kultur. Eben diese Leidenschaft hievte ihn in die Position des Geschäftsführers der ehrenamtlichen Destination Düsseldorf, als welcher er die Fortentwicklung des Frankreichfestes maßgeblich vorantreibt.

Wenn diese Veranstaltung am Freitag im Innenhof des Rathauses eröffnet wird, atmet der 47-Jährige nicht zum ersten Mal in diesen Tagen tief durch. Die Vorbereitungen für das Fest fordern ihn stärker als früher, weswegen er im Anschluss mit Frau und Tochter in sein Häuschen im Médoc nahe Bordeaux fährt. Frankreich kostet ihn Kraft, aber er holt sie sich auch dort zurück. Genug gebrauchen davon kann er allemal, denn Boris Neisser erblindet. Seine Sehkraft wird täglich schwächer, und nur wenn er sich anstrengt und das Licht ideal fällt, kann er die Telefonnummern auf seinem Handy noch erkennen.

Vor fünf Jahren konnte er plötzlich beim Autofahren keine Bewegungen mehr von links oder rechts wahrnehmen. „Retinitis pigmentosa“ lautete die Diagnose der Ärzte. Dabei verdichten sich die Netzhaut-Kanäle, Schwemmstoffe im Auge werden nicht mehr abtransportiert. In Deutschland leiden 40 000 bis 50 000 Menschen an dieser Störung. „Von Tübingen bis Kanada habe ich alle möglichen Kliniken und Ärzte durchprobiert“, sagt Neisser. „Aber leider hatten die Mediziner Recht, die Krankheit ist nicht zu heilen.“

Solche mutlosen Urteile hat Neisser schon mehrfach annehmen müssen. Als junger Mann wird ihm eine Niere transplantiert, was nicht ohne Komplikationen verläuft, seit 18 Jahren nimmt er Cortison. Dann prognostizieren ihm Ärzte die Erblindung, vor drei Wochen stirbt sein Vater. Während Neisser darüber spricht, scheint er selbst überrascht zu sein von der Fülle der Kriegserklärungen, die ihm das Leben entgegenschleudert. Doch schon im nächsten Moment übernimmt der unermüdliche Pragmatiker wieder das Regiment, der sich nicht lange aufhält mit der Frage danach, wie er das alles aushält. „Was ist die Alternative? Zu Hause zu sitzen?“

Stattdessen ist er weiter als Betriebswirt bei der Messe tätig. Vollzeit. Der Arbeitsplatz wurde seiner Erkrankung angepasst, seine Mitarbeiter stehen ihm zur Seite. Aktuell versucht er sich an einem schonenderen Tagesablauf. In den ersten Tagen vor einem intensiven Projekt gibt Neisser alles, dann reduziert er sein Arbeitsdruck peu à peu. „Wenn man nicht mehr gut sieht, arbeitet das Gehirn intensiver, und ich träume schlecht.“

Wegen der Netzhauterkrankung eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, hat er überlegt, den Gedanken jedoch wieder verworfen. „Warum soll ich mich jetzt schon damit belasten, was alles noch kommen kann.“ Die Gegenwart ist anstrengend genug. „Ein Glück, dass ich schon so viel von der Welt gesehen habe“, sagt Neisser. Während seiner Ausbildung war er ein Jahr in London, hat vor Venezuela Sandhaie gefangen, war in Trinidad und Tobago.

Jetzt genügt ihm sein Haus in Frankreich, vor dessen Tür er „wie ein alter Mann auf einer Bank sitzt“, was vielleicht traurig, jedoch nicht verzweifelt klingt. Das Durchhalten hat er in keiner Gesprächstherapie gelernt. Fürs Mutmachen sind seine Frau, seine Tochter und er selbst zuständig. „Boris“, sagt Neisser, „bedeutet Kämpfer. Das sagt doch alles.“

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