Tod eines Tausendfüßlers Bettina Himmes: "Ich habe mich geärgert, weil nichts erhalten geblieben ist"

Die Bilder auf dieser Seite stammen von der Fotografin Bettina Himmes. Sie hat zum Abriss des Tausendfüßlers eine „polemische Dokumentation“ geschaffen. Sie sagt, dass mit der Hochstraße ein Teil der Düsseldorfer DNA verlorengegangen ist.

Was haben Sie am 24. Februar 2013 gemacht?

Bettina Himmes: Ich spazierte über den Tausendfüßler, von der Johanneskirche nach oben, am Ende in den neuen Tunnel bis zur Heinrich-Heine-Allee.

Was ist an diesem Tag verlorengegangen?

Himmes: Ich mochte den Dreiklang von Dreischeibenhaus, Tausendfüßler und Schauspielhaus. Der war so speziell, so düsseldorferisch. Ich rechnete nicht damit, dass man das wirklich aufgeben würde. Das wurde mir erst klar, als ich den Tausendfüßler von Baumaschinen umzingelt sah.

Wie sind Sie zum Tausendfüßler gekommen?

Himmes: Wir haben uns schon als Studenten mit der Frage beschäftigt, wie man den Raum unter dem Tausendfüßler schöner gestalten kann. Damals dachten wir an eine Markthalle oder Markthäuschen unter der Hochstraße. Über den Tausendfüßler als architektonische Leistung oder Schandfleck in der Innenstadt diskutierten wir damals auch sehr kontrovers.

Wann haben Sie den Tausendfüßler dann für sich wieder entdeckt?

Himmes: Als feststand, dass er abgerissen würde. Ab diesem Zeitpunkt war ich fast täglich dort. Es gab damals eine Webcam auf der Baustelle. So konnte ich beobachten, wie weit die Bagger sind. Sobald sich etwas veränderte, das ich festhalten wollte, fuhr ich wieder hin. Ich wollte das ganze Geknabbere der Bagger festhalten.

Wie hat sich Ihre Fotografie in dieser Zeit verändert?

Himmes: Anfangs war ich sehr emotional, sehr wütend. Ich wollte unbedingt alles festhalten und dokumentieren. Mit der Zeit merkte ich, das wird ein längerer Prozess und achtete mehr auf Blickachsen und Lichtverhältnisse. Ich versuchte, trotz der sich ständig verändernden Baustelle, ähnliche Positionen einzunehmen und so die Veränderungen festzuhalten. Meine Referenzpunkte waren das Dreischeibenhaus und die Johanneskirche.

Was haben Sie gemacht, als der Tausendfüßler ganz verschwunden war?

Himmes: Die gesamte Dokumentation war eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Es begann sehr emotional, war während des Abrisses ziemlich sachlich und dann wieder emotional. Nachdem der letzte Bauschutt geräumt war, machte ich einen großen Bogen um diese Stelle der Innenstadt, und auch die Fotos konnte ich mir ein Jahr lang nicht angesehen.

Wie war die erste Rückkehr?

Himmes: Ich habe mich wieder geärgert, weil nichts erhalten geblieben ist und auch die neue Haltestelle dort nicht wenigstens „Zum Tausendfüßler“ genannt wurde.

Wie haben diese Erfahrungen Ihre künstlerische Arbeit verändert?

Himmes: In jener Zeit kam mir die Idee zur „Dekonstruktion“. Ich reduzierte meine Bildsprache und wählte die Ausschnitte so, dass sie zusammen einen eigenen Rhythmus finden. Diese „Dekonstruktion“ ist eine Hommage an die wunderbare, filigrane, scherenschnittartige Schönheit des Tausendfüßlers.

Wann und wie ist aus der Dekonstruktion die Konservierung in Einmachgläsern geworden?

Himmes: Ein paar echte Krümel des Tausendfüßlers stehen in einem kleinen Weckglas auf meinem Schreibtisch. Die Bilder seiner Zerstörung verbannte ich nun ebenfalls in Einmachgläser, um die Erinnerung an den Tausendfüßler zu konservieren. Ich fotografierte die Fotos in den Weckgläsern, und das günstige, leicht schlierige Glas verstärkte die Wirkung zusätzlich.

Wie hat der Abriss Ihren Blick auf den Denkmalschutz verändert?

Himmes: Denkmalschutz sollte natürlich kein starres Konstrukt sein, damit sich eine Stadt auch entwickeln kann. Aber beim Verhältnis von Denkmalschutz und Veränderung sollte man die DNA einer Stadt nicht außer acht lassen. Das ist hier aber geschehen. www.be-him.de

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