Analyse Beruf und Familie: Wie flexibel ist die Kinderbetreuung in Düsseldorf?

Düsseldorf · Berufstätige Eltern ohne Familie in der Nähe, die notfalls einspringt, haben oft ein Betreuungsproblem.

 Die Kita ist zu, der Chef erwartet eine Präsentation — bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stoßen viele Eltern an ihre Grenzen.

Die Kita ist zu, der Chef erwartet eine Präsentation — bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stoßen viele Eltern an ihre Grenzen.

Foto: dpa-tmn/Silvia Marks

Flexibilität ist das Schlagwort, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Flexibilität wird vom Arbeitgeber gefordert. Mal eine Geschäftsreise antreten, auf der Messe erscheinen, am Meeting am Nachmittag teilnehmen, das muss drin sein. Umgekehrt hoffen Eltern auf das Entgegenkommen des Chefs: Homeoffice ist da nur ein Punkt. Flexibel müssen berufstätige Elternteile auch in der Aufteilung der Erziehungsaufgaben sein. Nicht immer kann nur der eine Elternteil zu Hause sein, wenn das Kind am Morgen mit einer Bindehautentzündung erwacht und nicht in die Kita gehen kann. Flexibilität fordern Eltern aber vor allem auch in Sachen Kinderbetreuung. Sie soll zu ihren Lebensentwürfen passen – in vielen Familien müssen oder wollen beide Elternteile arbeiten. Aber wie sieht es in Düsseldorf aus? Wie flexibel sind die Betreuungsmodelle, welche gibt es und wie dringend werden sie gebraucht?

Urlaubszeiten Viele Eltern haben es in den vergangenen Wochen erlebt: Auch Kitas sind einige Wochen im Jahr geschlossen. Die meisten jedenfalls. Wer das Glück hat, einen Betreuungsplatz in einem Betriebskindergarten ergattert zu haben, hat das Problem mit der Betreuungslücke nämlich nicht. Die meisten Betriebskitas schließen nur wenige Tage im Jahr. In Düsseldorf gibt es 365 Kindertageseinrichtungen, davon haben 15 Prozent auch Betriebsplätze, das sind rund 1450 Plätze. Betriebskita heißt aber nicht, dass nur Kinder von Betriebsangehörigen Betreuungsplätze belegen. Laut Jugendamt stehen in einer solchen Kita in der Regel gleich viele Betriebsplätze wie öffentliche Plätze zur Verfügung, im Laufe der Jahre kann sich dieses Verhältnis aber verändern, etwa dadurch, dass Geschwisterkinder bevorzugt aufgenommen werden.

Die öffentlichen Plätze sind begehrt, nicht nur wegen der meist ausgedehnten Öffnungszeiten (die Henkel-Kita Kleine Löwen ist beispielsweise bis 18 Uhr geöffnet), sondern auch weil Mercedes, Henkel, Metro und Co. an anderer Stelle finanziell nachhelfen: Sie bezahlen Personal wie die sogenannten Native-Speaker, die als Erzieher eingesetzt werden, finanzieren Ausstattung, Mobiliar oder Feste.

Einige Unternehmen wie etwa Henkel gehen in Sachen Betreuung sogar noch weiter. Sie haben einen Kooperationsvertrag mit dem privat-gewerblichen Dienstleister PME Familienservices. Mitarbeiter können dann auf sogenannte Back-Up-Betreuungsplätze zurückgreifen, falls das Kind kurzfristig betreut werden muss und die Kita zu ist.

Notbetreuung Solche Back-Up-Plätze für Notfälle werden laut Jugendamt auch schon in einigen wenigen öffentlich geförderten Einrichtungen angeboten. Auch flexible Übernachtungen gebe es schon. Viktoria Flekel leitet die Großtagespflege Sonnenschein und wirbt auf ihrer Homepage genau damit. „Die Nachfrage ist groß“, sagt sie. „Gerade erst hat mich eine Mutter gefragt, ob ihre Tochter bis zum Abend bleiben kann, weil sie einen wichtigen Termin hat. Die Frau hat niemanden, der einspringen kann“, sagt Flekel. Viele Anfragen kämen auch von im Schichtdienst arbeitenden Eltern, die generell eine Betreuung für die Abendzeiten oder für die Nacht suchen.

Zu einer Übernachtung sei es aber noch nie gekommen. Und das liegt vor allem am Geld. „Für mich rechnet es sich einfach nicht“, sagt Flekel. Sie erhält für die Zeit, in der das Kind schläft, eine Vergütungspauschale in Höhe von 30 Euro. Außerhalb ihrer Kern-Öffnungszeiten, früh am Morgen oder abends, erhält sie einen Euro pro Stunde und Kind zusätzlich zum regulären Entgelt vom Jugendamt. Am Wochenende erhält sie pro Kind und Tag zehn Euro zusätzlich. Außerdem muss dem Jugendamt mit Verträgen und Arbeitsplänen genau nachgewiesen werden, dass Eltern berufsbedingt eine Betreuung in diesen Zeiten brauchen.

Und so nehmen zurzeit nur Eltern ihr Angebot der Notbetreuung am Wochenende oder am Abend in Anspruch, die es sich finanziell leisten können, die Betreuung aus eigener Tasche zu zahlen. Wie viel die Eltern pro Stunde dafür zahlen müssen, will Flekel nicht sagen. „Das Jugendamt müsste solche Betreuungsmodelle viel mehr fördern. Es gibt viele Eltern, die darauf angewiesen sind“, glaubt sie.

Randzeiten Die meisten Kitas in Düsseldorf öffnen um 7.30 Uhr und schließen um 16.30 Uhr. Von den 365 Kindertageseinrichtungen in Düsseldorf öffnen 88 vor 7.30 Uhr, 34 Einrichtungen sind länger als 17 Uhr geöffnet. Eine Kita hat bis 19 Uhr geöffnet, eine andere bis 19.30 Uhr.

Der Verein KIND VAMV (Verband alleinerziehender Mütter und Väter) kritisiert schon lange, „dass Betreuung in den  Randzeiten weitestgehend fehlt, besonders für im Schichtdienst arbeitenden Elternteilen und Alleinerziehende“. In Düsseldorf ist der Verein nicht nur Experte für Alleinerziehende, sondern Fachberatungsstelle für Kinderbetreuungen. 500 Tagespflegepersonen werden durch ihn betreut. Einige der Tageseltern bieten laut Jutta Rechter, geschäftsführender Vorstand, zwar Betreuung in den Randzeiten, am Wochenende oder über Nacht an, aber „nicht alle Anfragen können zur Zufriedenheit der Eltern bedient werden“. Der Bedarf nach flexibler Betreuung außerhalb der Kernzeiten steige. Denn wenn die Schicht bis um acht Uhr geht, die Kita aber um 16.30 Uhr schließt, ist eine Erwerbstätigkeit nicht möglich.

Ergänzende Kinderbetreuung fordert der bundesweit tätige Verein. Ein Blick nach Essen macht deutlich, wie das funktionieren kann: Das Erfolgsmodell heißt dort „Sonne, Mond und Sterne“: Die Kinder werden in Randzeiten, also wenn die Kita geschlossen ist, im Haushalt der Eltern betreut. Nach Angaben des Verbandes müsse eine Kommune für 20 Familien mit 27 Kindern rund 5500 Euro pro Kind und Jahr investieren.

Die Düsseldorfer Ortsgruppe steht aktuell mit dem Jugendamt in Verhandlungen, um ein anderes Randzeitenmodell zu etablieren, das berufstätigen Eltern entgegenkommen soll. Spruchreif ist aber noch nichts.

Öffnungszeiten Die Elternbefragung im Jahr 2017 — Eltern von rund 8100 Kita-Kindern nahmen an der Befragung teil — hat ergeben, dass 70 Prozent der Eltern mit den Öffnungszeiten der Kita zufrieden sind. 12 Prozent gaben an, nicht mit den Zeiten zufrieden zu sein, die fehlenden Betreuungszeiten aber privat regeln zu können, 4 Prozent teilten ihren Bedarf nach Betreuung am Wochenende und nur 2 Prozent nach Betreuung in der Nacht mit. Laut Ergebnissen der Umfrage wünschen sich Eltern Öffnungszeiten ab 7 Uhr, gleichzeitig gibt es Probleme mit dem kurzen Freitag zugunsten längerer Öffnungszeiten an den anderen Tagen.

Als Konsequenz daraus haben 17 Kitas im August ihre Öffnungszeiten ausgedehnt und nun fünf Stunden pro Woche länger geöffnet. Die Stunden können wie in den Kitas benötigt eingesetzt werden – in den Morgenstunden, am Nachmittag oder um den Freitag zu verlängern. Damit sei vielen Eltern schon geholfen, so das Jugendamt.

Stundenkontingente Eltern, die ihr Kind in der Kita anmelden, legen sich fest: 45, 25 oder 35 Stunden wird das Kind montags bis freitags im Rahmen der vorgegebenen Öffnungszeiten betreut. Flexibler ist da die Tagespflege: Die Tagesmutter kann mit den Eltern die Betreuungszeiten abstimmen, auch einzelne Tage den Arbeitszeiten anpassen. Aber auch hier wird auf Nachfrage deutlich: Das Gros der Tagesmütter betreut nur in den Kernzeiten, die auch in den Kitas üblich sind: Beim SKFM werden von insgesamt 350 Kindern nur 36 bis 19 Uhr betreut. Nur ein oder zwei Tagesmütter sind am Wochenende oder in der Nacht im Einsatz. Die Nachfrage der Eltern sei nicht groß, erklärt Fachbereichsleiterin Gudrun Rasink die Zahlen. Aber auch Tagesmütter hätten Familie und würden ihre Arbeitszeiten danach ausrichten.

„Bei der Diskussion um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss das Wohl des Kindes immer im Mittelpunkt stehen“, fasst Rasink zusammen. Ein Kind dürfe nicht länger als zehn Stunden am Tag fremdbetreut werden. Flexibel müsse schließlich auch der Arbeitgeber sein und Eltern familientaugliche Arbeitszeiten ermöglichen.

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