Ausstieg aus der Schuldenfalle dauert sechs Jahre – garantiert

Das vor zehn Jahren eingeführte Verfahren ist ein Erfolgsmodell – vor allem für die Schuldner. Deren Zahl nimmt zu.

Düsseldorf. Vor elf Jahren stieg Poya R. aufs private Schuldenkarussell. Und das nahm rasch Fahrt auf: "Ich hatte schnell 80 000, 90 000 Euro Schulden." Wie kam es zu dem Desaster? "Ich war leichtgläubig, habe Bürgschaften gegeben und mich dann mit jemandem selbstständig gemacht. Das ist komplett gescheitert.

Außerdem hatte ich Kredite aufgenommen, um das Geschäft doch noch am Laufen zu halten, es hat nicht funktioniert, die Schulden wuchsen und wuchsen", erzählt der zweifache Familienvater aus Düsseldorf. Inzwischen ist er fast abgesprungen vom Schuldenkarussell. Poya R.: "In ein paar Monaten bin ich von allen Restschulden befreit. Darauf freue ich mich schon sehr, dann kann ich neu anfangen."

Dass er von allen Schulden befreit ist, heißt nicht, dass R. die ganzen 90 000 Euro beglichen hat. Er hat seinen Gläubigern, vor allem einer Bank, das zurückgezahlt, was er zahlen konnte - und das waren bislang nur 9000 Euro.

R. hat an der 1999 in Deutschland eingeführten Verbraucherinsolvenz teilgenommen. Hier die wichtigsten Fragen zu dem Entschuldungsverfahren. Die Antworten stammen von Bettina Seidel und Jochen Köller, Schuldnerberater bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf: Wie funktioniert das Verfahren?

Jede Privatperson kann beim Insolvenzgericht die Eröffnung des Verbaucherinsolvenzverfahrens stellen. Vorgeschaltet ist der Versuch, sich mit den Gläubigern außergerichtlich zu einigen. Gelingt dies nicht, werden die Schulden förmlich festgestellt. Noch vorhandene Vermögenswerte werden an die Gläubiger verteilt. Dazu gehört auch das Auto, wenn man es beruflich nicht unbedingt braucht. Dann schließt sich die "Wohlverhaltensperiode" über sechs Jahre an.

In der Zeit muss das pfändbare Einkommen an einen vom Gericht eingesetzten Treuhänder abgetreten werden. Der bezahlt daraus zunächst die Verfahrenskosten (etwa 2000 Euro), dann die Gläubiger. Wie viel vom Einkommen kann gepfändet werden? Das bestimmt die Pfändungstabelle. Beispiele: Bei einem Nettomonatslohn von 1500 Euro sind es bei einem Alleinstehenden 360,40 Euro, ist der Schuldner für eine weitere Person unterhaltspflichtig nur noch 72,05 Euro, kommt noch eine Person dazu, kann gar nichts mehr gepfändet werden.

Nettolohn: 2500 Euro; pfändbar sind 1060 Euro; Unterhaltspflicht für zwei Personen: 572 Euro; für drei: 375 Euro. Was sind die Vorteile des Verfahrens? Der Schuldner bekommt eine Perspektive, was auch psychisch sehr entlastend wirkt. Und: Er ist vor Einzelzwangsvollstreckungen geschützt. Nach sechs Jahren ist er auf jeden Fall schuldenfrei. Der Gläubiger muss zwar eventuell auf Geld verzichten, spart aber das Geld etwa für fruchtlose Vollstreckungsversuche. Gerichte und Staat werden durch das geordnete Verfahren entlastet.

In Düsseldorf nimmt die Zahl der privaten Insolvenzen zu. Beraterin Bettina Seidel: "Wir spüren auch die akute Wirtschaftskrise. Es kommen vor allem Leute, die ihren Job verloren haben oder in Kurzarbeit stecken und sich nun mit einem Kredit übernommen haben."

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