Auf der Umlaufbahn des eigenen Lebens

Er ist Leiter des Filmmuseums, Autor und Gitarrist: In seinem Roman kehrt Bernd Desinger an Orte seiner Vergangenheit zurück.

Düsseldorf. Es ist der Dresscode der Intellektuellen, der Künstler und Architekten. Sie tragen schwarz. So auch Bernd Desinger. Allenfalls eine rote Krawatte darf es sein. Wie etwa vor drei Jahren, als er sich zum ersten Mal im Düsseldorfer Rathaus vorstellte: Der neue Direktor des Filmmuseums. Seine grauen Haare hat er zu einem Zopf gebunden, er gibt ihm etwas Unangepasstes. Dazu passt, dass Desinger nicht nur ein Museum leitet, sondern auch Romane schreibt und Rockmusik spielt.

Viele dieser Züge spiegeln sich wider in den Figuren von „Arthurs Entführung“, dem gerade erschienenen zweiten literarischen Werk Desingers. Er erzählt die Geschichte einer Handvoll junger Menschen, die — wie er selbst einmal — am Ende ihres Studiums in Münster stehen, die auf der Suche nach sich und dem Leben sind. Sie verbindet ein Vorfall: Ihr Freund Arthur verschwindet, angebliche Entführer hinterlassen Nachrichten und Schecks und schicken die Freunde in verschiedene Länder, um Arthur aufzuspüren.

Wer nun einen Thriller erwartet, wird enttäuscht. Schon bald verlässt Desinger auf den 367 Seiten die vorgeschobene kriminalistische Perspektive und begibt sich in zum Teil surreale Begegnungen. Schwerter bekommen eine Bedeutung wie in historischen Artusromanen, anmutige Mädchen erscheinen auf romantischen Waldlichtungen. Von Abschnitt zu Abschnitt springt der Verfasser in den Blickwinkel der jungen Männer und Frauen, entwickelt ihre Lebensgeschichten, die sie von Münster wegführen. New York und Los Angeles spielen ebenso eine Rolle wie Norwegen und Deutschland.

„Die Handlungszusammenhänge entwickeln sich in größeren Umlaufbahnen“, erklärt Desinger im Gespräch. „Das ist so schnell nicht auserzählt.“ Wie schon der Untertitel „Der Doppelweg. Erstes Buch“ ankündigt, hat er „Arthurs Entführung“ als Trilogie angelegt. Das habe er beim Schreiben schnell gemerkt, erinnert er sich an die Anfänge zu dem Buch 2006. Der größte Teil sei in den USA entstanden. Damals leitete er das Goethe-Institut in Los Angeles. In Düsseldorf habe er den Roman nachts, an freien Wochenenden und in Urlauben fertiggestellt.

Zurzeit steckt er mitten im zweiten Band, nimmt Handlungsstränge auf, die er bereits im ersten Teil durch sogenannte Cliffhanger vorbereitet hat. Desinger kommt vom Film und der Musik, das ist unverkennbar. Wenn er die Proben der Band „Männer, die zum Frühstück bleiben“ beschreibt, überrascht die Genauigkeit der Details. Nie bleibt er lange bei einer Figur, bei der Lektüre vermisst man intensive Momente. Desinger legt Wert auf Ausstattung, auf Lichtverhältnisse und Schnitte, die er zwischen die Perspektivwechsel setzt.

Was er seinen Protagonisten zumutet, hat er selbst erfahren: Sich dem Moment des Ungewöhnlichen aussetzen. In andere Länder gehen, in denen man die Sprache nicht so gut beherrscht, in denen einem Kinderreime und Sportarten ebenso fremd sind wie die Natur. Desinger stammt aus Oberhausen, lebte in Toronto und Los Angeles. „Es ist ein Abarbeiten an sich selbst“, erklärt er. Den eigenen Problemen entkomme man nicht, die erwarteten einen am nächsten Ort wieder.

Nach zwei Jahren in Düsseldorf stellt Desinger fest: „Ich bin angekommen.“ Auch wenn er die Wüsten in Kalifornien immer mal wieder vermisse, schätze er es doch sehr, „zu reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist“. Gerade das Rheinland und das Ruhrgebiet empfindet er als offen und herzlich in besonderer Weise. Ein Wesenszug, der ihm den Wechsel aus den USA erleichtert hat. Leichter, als seinen beiden Kindern. Dass sein Sohn jetzt in Münster studiert, schließt den Kreis irgendwie und führt zurück an den Anfang des Romans.

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