Am Jahresende wird besonders gern gelesen

Lange Schlangen schon vor der Öffnung der Zentralbücherei: Viele suchen zwischen Weihnachten und Silvester guten Lesestoff.

Auch wenn die Zentralbücherei am ersten Tag nach den Weihnachtsfeiertagen erst um 11 Uhr öffnet, füllt sich gestern schon 15 Minuten vorher das Foyer. Schließlich stehen rund 30 Leser vor der noch verschlossenen Tür, um die über die Weihnachtszeit ausgelesenen Bücher abzugeben und sich die nächsten auszuleihen — am liebsten bevor es alle anderen tun. „Jetzt sind ja noch alle Bücher da“, erzählt die 11-jährige Jule Wickum, die mit ihrer Mutter Heidrun Bromberg ganz vorne in der Schlange steht.

Am Jahresende wird besonders gern gelesen
Foto: Sergej Lepke

Das Phänomen, dass nach den Feiertagen ein Ansturm auf die Bücherei stattfindet, sei früher noch größer gewesen, wie Bibliotheksdirektor Norbert Kamp erklärt: „Wir haben schon versucht, den Leuten zu vermitteln, dass sie über die Jahresendwoche verteilt kommen sollen.“ Denn viele würden die entschleunigte Woche „zwischen den Jahren“ nutzen, um entspannt ein paar Bücher zu lesen oder Hörbücher zu hören.

Zwischen Weihnachten und Silvester werden jeweils rund 20 000 Bücher, Hörbücher und Musik-CDs entliehen, während der Schnitt bei 13 000 Medien täglich liegt. Dabei geht der Großteil der Mehrbestellungen auf die Stammleser zurück, resümiert der Direktor: „Die meisten Neuanmeldungen kommen im Januar, vielleicht wegen der guten Vorsätze.“

Ebenso auf der Suche nach Ferienlektüre und derzeit auf dem Trockenen sitzend ist eine 64-jährige Ausbilderin, die in den Ferien mehr Zeit hat, und sich deswegen am ruhigen Vormittag auf den Weg in die Bücherei macht. Sie leiht sich alle drei Wochen vier bis fünf Bücher aus. Während sie ansonsten vor allem Bücher für die Arbeit zur Weiterbildung wälzt, belässt sie es für die freien Tage bei entspannteren Werken, vor allem Kriminalromanen, ihrem Lieblingsgenre.

Auch die 43-jährige Gisela S. liest vor allem Geschichten über Morde und deren Aufklärung, und leiht auch ihrem fünfjährigen Sohn erste kindgerechte Krimis aus: „Auch wenn sie vielleicht noch nicht hundertprozentig für sein Alter bestimmt sind.“ Sie besucht die Stadtbibliotheken ein bis zwei Mal monatlich, vor allem, um Bücher zum Vorlesen für ihren Sohn zu besorgen. Die freie Woche will sie aber nutzen, um selber Zeit zum Lesen zu finden.

Doch die wenigsten kommen nur noch, um einfach Bücher auszuleihen oder abzugeben. Viele nutzen die Ruhe in der Bücherei, um hier zu arbeiten oder ihre Bücher ohne Ablenkung vom Alltag lesen zu können. Für die dadurch immer längere Verweildauer von durchschnittlich anderthalb Stunden pro Person ist das Büchereigebäude nicht ausgelegt, weswegen für den Frühling 2021 der Umzug in das Postbankgebäude am Konrad-Adenauer-Platz geplant ist. In diesem wird es doppelt so viel Platz für Bücher geben. Die Anzahl an Plätzen zum Arbeiten und Lesen soll auf rund 600 verdreifacht werden.

Dann werden die Büchereikunden sich wohl nicht mehr eine Viertelstunde vor der eigentlichen Öffnung anstellen müssen, wie Stephan Schwiering, Leiter der Zentralbibliothek, hofft: „Teilweise muss man sich die Plätze hier schon mit dem Handtuch reservieren.“

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