Alle Zivi-Stellen fallen weg – Ersatz verzweifelt gesucht

Das nahende Aus für die Wehrpflicht stellt Stadt und Sozialverbände vor eine schwierige Aufgabe.

Düsseldorf. Die Fahrt in die Behindertenwerkstatt, das Mittagessen warm und pünktlich geliefert oder einfach ein Gespräch mit einem Bewohner im Altersheim - all das sind soziale Leistungen, die ohne Zivildienstleistende kaum denkbar sind.

Doch die Stadt und die Wohlfahrtsverbände müssen sich nun um Ersatz für die Wehrdienstverweigerer Gedanken machen. Denn es gilt als sicher, dass der Bundestag Ende November ein Gesetz verabschieden wird, das die Wehrpflicht ab dem 1. Juli 2011 aussetzt und damit auch den Zivildienst.

In Düsseldorf leisten derzeit 469 junge Männer ihren Zivildienst ab. Die meisten von ihnen, nämlich 279, im Bereich Pflegehilfe und Betreuungsdienste. "Wir erwarten, dass von Seiten der Bundesregierung eine Alternative angeboten wird", sagt Iris Bell-stedt, Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Düsseldorf. Sie könnte sich ein Modell vorstellen, das das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) stärkt, um so einen Ausgleich zu schaffen.

Das hat die Bundesregierung auch vor: Von etwa 90.000 Zivildienstplätzen sollen etwa 70.000 von Freiwilligen aus allen Generationen beziehungsweise jungen Menschen im FSJ abgedeckt werden. "Dann muss aber auch der finanzielle Rahmen stimmen", sagt Bellstedt, denn von den etwa 500 Euro, die man heute im FSJ monatlich bekommt, könne schließlich niemand leben.

Stefan Fischer, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes in Düsseldorf, gibt zu bedenken: "Freiwillige und Ehrenamtler sind gut. Aber Senioren werden im Rettungsdienst keine Zivis ersetzen können." Noch etwas macht den Wohlfahrtsträgern zu schaffen: Die Zivis waren in der Vergangenheit nicht nur gute und günstige Arbeitskräfte, sondern auch der Garant für frischen Nachwuchs. "Die meisten unserer Zivis verlängern bei uns nach ihrer Dienstzeit."

Neue Kräfte für soziale Aufgaben zu rekrutieren, das wird im nächsten Jahr die Hauptaufgabe der Träger sein. Die Stadt unterstützt jedes Mitglied der Liga der Wohlfahrtsverbände mit jährlich rund 80.000 Euro für die Freiwilligenwerbung. Und 2011 könnten weitere Mittel dazukommen. "Wir bemühen uns um Geld aus dem Sozialfonds der EU", sagt Sozialdezernent Burkhard Hintzsche, schließlich ist 2011 das Europäische Jahr der Freiwilligenarbeit.

Ob die Bemühungen ausreichen werden, genügend Freiwillige und Ehrenamtler zum Mitwirken zu bewegen, muss sich zeigen. Fest steht aber, dass an einen personellen Ersatz durch hauptamtliche Mitarbeiter nicht zu denken ist: "Das würde die finanziellen Mittel aller Wohlfahrtsverbände bei weitem übersteigen", sagt DRK-Sprecherin Sabine Jokl.

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