Karneval Abwracken: Wo von Andrea Nahles nur die Brille übrig bleibt

Düsseldorf · Wagenbauer Jacques Tilly macht ungerne etwas kaputt — am Tag nach Rosenmontag gehört das aber zu seinem Job. Auch die Vereine zerstören ihre Wagen.

 Abwracken: Künstler Jacques Tilly zerstört die eigenen Mottowagen — von Nahles wird am Ende nur die Brille „gerettet“.

Abwracken: Künstler Jacques Tilly zerstört die eigenen Mottowagen — von Nahles wird am Ende nur die Brille „gerettet“.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

„Nein, ich mache nicht gerne etwas kaputt. Ich knalle auch zu Silvester nicht gerne“, sagt Jacques Tilly, der Künstler und Macher der international bekannten politischen Mottowagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs. Doch in der selben Minute holt er mit dem Hammer aus. Zertrümmert die Nase von Andrea Nahles, holt erneut aus und schlägt in die Nase von Annegret Kramp-Karrenbauer ebenfalls eine Kerbe. So ist das eben am Morgen nach Rosenmontag auf dem Gelände der Wagenbauhalle des Comitees Düsseldorfer Carneval. Tilly und viele Mitglieder der Vereine treffen sich zum „Abwracken“ — die Motive der Karnevalswagen sind am Veilchendienstag Schnee von gestern, werden zerstört und geschreddert.

Rosenmontagszugleiter und Ur-Karnevalist Hermann Schmitz schaut dabei zu. Ist es nicht schade, um die tollen Figuren, die in monatelanger Arbeit geschaffen wurden? „Nein“, sagt Schmitz. „Das ist völlig in Ordnung.“ Er vergleicht die Mottowagen mit einem Witz, über den man herzlich gelacht hat. Den müsse man aber nicht noch mal hören. „Interessanter ist, etwas Neues zu machen“, sagt Schmitz.

Jacques Tilly verlässt derweil wieder den Wagen mit den beiden Parteichefinnen, der in den Medien bundesweit Beachtung fand. Der 55-Jährige ist auch am Tag nach dem Zoch gefragter Mann bei den Medien, sein Handy klingelt oft, er checkt seine Nachrichten permanet. Denn es gibt wie immer Anfragen aus anderen Ländern. Viele wollen seine Mottowagen kaufen. Die gehören zwar dem Carnevals Comitee (CC), aber der Künstler entscheidet mit. „Das Polenkreuz hat in Polen wirklich eine ordenliche Resonanz“, sagt Tilly zufrieden. Deshalb bleibt es erst mal von Hammer und Schredder verschont. Das gleiche Schicksal erfährt — wieder einmal — die Figur von Theresa May, die mit ihrer langen Brexit-Nase, die britische Wirtschaft zerlegt. Schon in den Vorjahren haben die Brexit-Gegner Tillys May-Figuren auf die Insel geholt. Sie seien ganz angetan, auch weil sie dort keinen Karneval kennen. „Überleben“ wird zunächst noch „Schmutzengel“ Trump, allerdings ohne Kettensäge. Dagegen blieb von Joseph Goebbels und AfD-Mann Björn Höcke kein Fetzen mehr übrig, was Tilly mit den Worten kommentiert: „Goebbels wird klein gemacht und auch der andere, die haben Rosenmontag ihren Zweck erfüllt.“

 Gelassen verfolgt Sigrid Viehmann, Präsidentin der Funkenartillerie Rot-Wiss, wie der Vereinswagen in der Wagenbauhalle allen jecken Schmuck verliert.

Gelassen verfolgt Sigrid Viehmann, Präsidentin der Funkenartillerie Rot-Wiss, wie der Vereinswagen in der Wagenbauhalle allen jecken Schmuck verliert.

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Nicht angetastet wird dagegen der Karenvalswagen mit der schwedischen Klimaschützerin Greta Thunberg. Dieses Motiv war eine „Herzensangelegenheit“ für Tilly, der ihren Mut bewundert. Der Mottowagen, quasi ein Denkmal für die 16-jährige Schülerin, denn die Anfragen für diese Figur reissen am Dienstag nicht ab.

Auch die Vereine erneuern den Wagen — passend zum Motto

Während vor der Wagenbauhalle noch einmal die Mottowagen sogar beim Abwracken im Mittelpunkt stehen, wird in der Halle ganze Arbeit geleistet. Denn auch an den Wagen der Karnevalsvereine werden die Figuren aus Pappmaché-Kreide-Gemisch und viel Draht zerstört. Gerade wird der große Wagen der Düsseldorfer Funkenartillerie Rot-Wiss bis aufs Gestell „reduziert“. Aus dem Innern wird die Toilette wieder ausgebaut, Kamellereste eingesammelt, Leergut in großen Tasche gepackt. Besenrein verbleibt er dann in der Wagenbauhalle.

Die Vereinsvorsitzende Sigrid Viehmann schaut gelassen zu. „Das ist ganz normal“, sagt sie. „Wir lassen den Wagen alle zwei Jahre neu machen, sonst wäre das zu teuer.“ Wenn das neue Sessionsmotto bekannt werde, setze sich der Verein mit seinen 70 Mitgliedern zusammen und mache einen Entwurf. Den setzt Jacques Tilly mit seinem Team dann um, der Verein zahlt für die neue Wagenkunst rund 5000 Euro.

So bleibt für den nächsten Rosenmontagszug als „Accessoire“ zunächst einmal nur die Brille von Andrea Nahles erhalten. „Die Brille ist schon mal mitgefahren“, sagt Tilly. Ob das noch mal der Fall sein wird, wird man am 24. Februar 2020 sehen.

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