Ausstellung in Düsseldorf Man Rays Fotografien der 20er Jahre

Düsseldorf · Musen, Geliebte und Modelle: Die Galerie Linn Lühn zeigt Fotografien des berühmten Künstlers aus den 20er- und 30er-Jahren.

 Ein Porträt aus der „Edition Femmes“ von 1933 als Abzug aus dem Jahr 1981.

Ein Porträt aus der „Edition Femmes“ von 1933 als Abzug aus dem Jahr 1981.

Foto: Man Ray Trust, VG Bild-Kunst, Bonn 2022, courtesy LINN LÜHN, Düsseldorf

1988 zeigte der Düsseldorfer Galerist Klaus Schwarzer erstmals die Serie „Femmes“ („Frauen“) von Man Ray in Düsseldorf. Es handelte sich um 26 posthume Abzüge des Künstlers aus den Jahren 1933/34, die über den Sammler und Verleger Giorgio Marconi auf den Markt kamen. Marconi lobte Man Ray als „radikalen Vordenker der Moderne“ und schickte zehn Jahre später eine große Ausstellung seines Künstlers durch Deutschland und die Schweiz, wo die „Frauen“ abermals zu sehen waren. Nun ist es die Galeristin Linn Lühn, die die Serie als Höhepunkt der Düsseldorfer Fotobiennale anbietet. Die Abzüge waren 1981 in einer 35er Auflage erschienen und mit dem Zertifikat der Witwe Juliet Man Ray versehen. Sie kommen aus dem deutschen Handel.

In Paris wurde Man Ray wie
ein Triumphator empfangen

Man Ray (1890-1976) stammte aus einer osteuropäischen, jüdischen Familie in Philadelphia, hatte sein Aha-Erlebnis in der berühmten New Yorker Armory Show und landete über seinen Freund Marcel Duchamp 1921 in Paris. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt kein Wort Französisch sprach, wurde er wie ein Triumphator empfangen. Er erhielt sofort eine Ausstellung beim Intellektuellen Philippe Soupault in dessen Librairie Six und revanchierte sich mit seinem ersten dadaistischen Objekt auf französischem Boden, einem eisernen, altmodischen Bügeleisen und klebte ihm 14 Polsternägel auf die Bügelfläche. Es wurde zwar sofort gestohlen, aber neu aufgelegt und gilt bis heute als eine beliebte Edition, die Konrad Klapheck in einer Radierung festhielt.

Im Zentrum der Avantgarde wurde er sofort zu einem führenden Kopf, beteiligte sich 1924 am surrealistischen Manifest und fotografierte Alice Prin mit Turban, Ohrringen und einem locker um die Hüften gewickelten Tuch. Der Künstler war entzückt von Kiki de Montparnasse, dem Star der Pariser Szene. Ihn begeisterten ihre Körperformen, er klebte auf ihren makellosen Rücken die Schalllöcher eines Violoncellos und trennte sich erst 1962 von „Le Violon d‘Ingres“. Als das Vintage-Print vor wenigen Tagen bei Christie’s in New York unter den Hammer kam, erzielte diese Ikone des Surrealismus den Sensationspreis von über 12,4 Millionen US-Dollar – umgerechnet knapp 12 Millionen Euro – und wurde zum teuersten Foto der Welt.

Posthume Abzüge sind natürlich wesentlich billiger. Linn Lühn bietet sie mit 45 000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer an und hofft auf ein Düsseldorfer Museum als Käufer. Die nackte Muse Kiki taucht nicht auf, aber die Serie beweist, wie viel dieser Künstler zu lieben vermochte. Paris war in den 1920er- und 1930er-Jahren die Hauptstadt der Avantgarde, und viele der jungen Frauen landeten zunächst im Atelier von Man Ray, wurden sein Modell, seine Assistentin oder seine Geliebte, wie Kiki oder Lee Miller. Aus der Gegenwart betrachtet, wirkt seine Frauen-Serie wie das Konzentrat einer glücklichen Zeit, als die Nazis noch nicht Frankreich überrollten und ihn 1940 zur Flucht nach Hollywood zwangen, wo er in Juliet seine neue Muse fand.

Seine Modelle sind allesamt Liebesverwandte, unbekleidet oder nur notdürftig mit einem Tuch oder Pelz umhüllt. Meret Oppenheim etwa liegt auf einer Liege, zeigt Scham und Brust und liest wie selbstverständlich in einer Zeitschrift. Was das weibliche Geschlecht aus dem lasziven Nachtleben heraushebt, ist eine nicht ganz greifbare Aura. Sie entsteht häufig durch den fotochemischen Prozess der Solarisation, indem der Fotokünstler die elektromagnetische Strahlung mit unterschiedlicher Wellenlänge steuerte und dadurch für Umkehrwerte sorgte. So spielte er mit der Helligkeit und den dunklen Partien des Körpers.

Es ist ein plastisches Arbeiten, wenn der ebenmäßige Teint mit dem Schatten eines Pelzmantels korrespondiert, das weiche Licht das Antlitz noch marmorartiger erscheinen lässt und einen umso stärkeren Schatten im Hintergrund bildet. So wirken die Fotos wie Schwarzweiß-Malerei. Es ist das Idealbild einer Schönheit, die durch Man Rays Technik noch etwas kapriziöser wird.

Wie die Abbilder in der Monographie von 1998 zeigen, handelt es sich um perfekte Kompositionen, in denen Man Ray den Ausschnitt immer wieder neu untersuchte, den Unterarm etwa durch ein dunkles Tuch einfach „abschnitt“ oder den Modellen einen Stuhl oder einen Sockel unterschob, als handele es sich um eine antike Büste. Er benutzte dazu eine Balgenkamera, eine Großformatkamera, wie sie in einer ähnlichen Bauform die Bechers und einige ihrer Schüler verwendeten.

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