Wülfrath „Die Wut hat mich laut werden lassen“

Wülfrath. · Niklas Frank ist Sohn des ehemaligen Generalgouverneurs Polens, Hans Frank, der den Tod etlicher Juden in Auftrag gab, und berichtet über seine Erfahrungen zu Zeiten des Nationalsozialismus’ in der Mensa des Gymnasiums Wülfrath.

 Mit erhobenen Händen werden im Mai 1943 jüdische Frauen, Männer und Kinder von deutschen SS-Soldaten aus dem brennenden Ghetto der polnischen Hauptstadt Warschau getrieben. 

Mit erhobenen Händen werden im Mai 1943 jüdische Frauen, Männer und Kinder von deutschen SS-Soldaten aus dem brennenden Ghetto der polnischen Hauptstadt Warschau getrieben. 

Foto: picture-alliance / dpa/CAF

Es ist ein emotionaler Austausch, dem sich die Oberstufenschüler des Gymnasiums Wülfrath einen Tag vor dem Gedenktag an die Reichspogromnacht stellten. Zu Gast durften sie Niklas Frank in ihrer Mensa begrüßen. Niklas Frank, Sohn von Hans Frank, der während des Nationalsozialismus Generalgouverneur Polens war, rechnet in mehreren Büchern mit seiner schicksalhaften Kindheit ab.

Bevor die Schüler zur Diskussion aufgerufen wurden, nahm sich Zeitzeuge Niklas Frank ausgiebig Zeit, aus seinen Werken vorzutragen und begann mit dem Buch über seinen Vater, der am 16. Oktober 1946 für seine menschenverachtenden Vergehen gehängt wurde. „Ich mochte dein Sterben“, zitiert Sohn Niklas Frank aus seinem Buch und schildert auf sehr eindrucksvolle Weise den Tod seines Vaters, zu dem er in all den Jahren seiner Kindheit nie ein inniges Verhältnis aufbauen konnte.

Niklas Frank, der jüngste von insgesamt fünf Kindern, konnte nach eigener Aussage den größten Abstand zwischen sich und seine Familiengeschichte bringen. „Ich bin froh dein Sohn zu sein. So konnte ich mit dir abschließen und musste mich nicht deinem Propagandageschwätz hingeben. Ich wollte alles über dich erfahren und bin froh, älter als du jemals geworden bist, geworden zu sein“, so Frank, der die Taten seines Vaters auf das schärfste verurteilt. Drei seiner Geschwister hingegen sahen Hans Frank bis zu ihrem Tod als unschuldiges Kriegsopfer an. „Und auch mein älterer Bruder Normen, dem durchaus bewusst war, was unser Vater getan hat, hat ihn bis zum Schluss geliebt. Er wurde Alkoholiker.“

Das Verhältnis zu seiner Mutter Brigitte Frank arbeitete er in seinem zweiten Buch auf, beschreibt sie als zielstrebig und realistisch. „Meiner Mutter hat das Dritte Reich nie verherrlicht, durch die Stellung meines Vaters den Luxus allerdings ausgenutzt“, weiß Niklas Frank. „Sie lebte absolut in der Wirklichkeit.“

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als der Familie sämtlicher Wohlstand versagt wurde, war es Mutter Brigitte, die als gelernte Sekretärin die Kinder ernährte. Sie starb 1959. „Am Tag meines 20. Geburtstages“, so Sohn Niklas Frank. Während der kurzen Exkursion in die persönliche Vergangenheit des Schriftstellers konnte man das Entsetzen über das Erfahrene in den Gesichtern der Schüler ablesen. Und die Fragen zur Kindheit und auch zum späteren Leben des Zeitzeugen Niklas Frank folgten auf dem Fuß.

So wollten die Schüler wissen, ob Hans Frank trotzdem ein liebender Vater war. „Ich erinnere mich nur an eine liebevolle Geste, als er mir beim Rasieren etwas Schaum auf die Nase tupfte. Ansonsten hat mich mein Vater nie als eigenen Sohn angesehen, er dachte stets ich sei von seinem besten Freund, den er später sogar hängen ließ.“ Auch brannte den Schülern die Frage unter den Nägeln, wann Niklas Frank dazu bereit war, seine Geschichte zu erzählen. „Das Schweigen in Deutschland, mit dem ich aufgewachsen bin, hat mich wütend gemacht. Und die Wut hat mich laut werden lassen. Ich liebe Deutschland und die Kindheit war für mich ein Schmerz“, so Frank, der in seinen Büchern die eigene Vergangenheit
bewältigt.

Dass die AfD für den Zeitzeugen eine echte Gefahr darstellt, gab es den Gymnasiasten abschließend mit auf den Weg. „Die AfD-Wähler wählen ihre freie Meinungsäußerung ab. Das ist erschreckend“, so Frank zum Abschluss seines Besuchs.

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