Anhörung im NRW-Landtag : Die perfide Masche der Loverboys
Düsseldorf Experten sind sich bei Anhörung im NRW-Landtag einig: Es muss mehr Aufklärung an den Schulen geleistet werden.
Expertenanhörungen des Landtags dienen dazu, dass die Landtagsabgeordneten externes Fachwissen anzapfen, um dieses dann in einen anstehenden Gesetzgebungsprozess einfließen zu lassen. Meist sind die Experten solche Personen, die sich beruflich besonders mit dem anstehenden Thema befassen. In der Anhörung des Gleichstellungsausschusses am Freitag zum Thema Loverboys ist es bei einer „Expertin“ ganz anders. Sandra Norak kennt das Thema, über das sie da befragt wird, aus eigener und besonders leidvoller Erfahrung:
Die heute 29-jährige Frau ist durch ein Martyrium gegangen. Sechs Jahre lang, von 2008 bis 2014, musste sie sich in verschiedenen Bordellen prostituieren. In diese Sackgasse war sie geraten, weil ihr – sie war damals Schülerin – ein Mann Liebe vorgetäuscht hatte, sie emotional abhängig machte und sie sich schließlich seinem Willen unterwarf. Selbst als sie nach einem anonymen Hinweis von der Polizei abgeholt und vernommen wurde, sagte sie, unter psychischem Druck stehend, alles sei in Ordnung. Ihr Peiniger konnte damals nicht überführt werden.
In Noraks Fall war der Mann, der sie abhängig gemacht hatte, 20 Jahre älter als sie. Aber die Methode, so betont sie, war die gleiche wie bei den Loverboys: Mädchen und junge Frauen werden von heranwachsenden jungen Männern, den Loverboys, in Abhängigkeit gebracht. Die verhängnisvollen Kontakte werden im Internet oder auch vor der Schule geknüpft. Unter Vorspiegelung einer Liebesbeziehung wird die junge Frau in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis gebracht. Und dazu, dass sie den Kontakt zu ihrem familiären Umfeld und zu Freunden abbricht. So in die Isolation versetzt, bringt der Loverboy sein Opfer dazu, aus Liebe zu ihm, der doch angeblich so hohe Schulden habe, seinen Körper zu verkaufen. Die Gewaltspirale dreht sich.
Auf das Alter des Täters komme es dabei gar nicht an, „die können auch älter sein, wie in meinem Fall“, sagt Norak den Landtagspolitikern. Sie selbst hatte sich mit viel Energie nach Jahren aus den Fesseln befreit, studierte Jura und machte es sich fortan zur Aufgabe, durch öffentliche Aufklärung gegenzusteuern. Durch Vorträge an Schulen, durch ihren Blog „My Life in Prostitution“ und eben auch durch eine Mitwirkung in politischen Verfahren wie am Freitag im Landtag.
„Loverboys sind Menschenhändler“, warnt Norak potentielle Opfer, die jungen Frauen. „Sie sind keine Freunde, sie sind keine Lebensgefährten, sondern sie sind Täter einer der schlimmsten Straftaten, die einem jungen Menschen passieren können.“ Doch auch die Männer, die in den Bordellen die Dienste der Frauen kaufen, brandmarkt sie nach den am eigenen Leib gemachten Erfahrungen: „Die Frauen werden behandelt wie lebende Gummipuppen, ohne Subjektqualität, sie werden durch die Sexkäufer kaputt gemacht.“ Jeder Freier solle sich doch mal die Frage stellen, ob er selbst seine Tochter oder Schwester in der Prostitution sehen wolle.