Schumannfest Amerikanische Folklore zertrümmert

Düsseldorf · Fünf Stunden Programm muten die Festival-Macher ihrem Publikum zu. Das zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen.

Wenn John Cage das geahnt hätte: dass sein Stück „Credo in US“ so etwas wie das Motto des diesjährigen Schumannfests wird. Aber so ist es passiert, am Donnerstagabend in der Tonhalle wummert Schumanns „Rheinische“, hübsch elektronisch verfremdet und zerschnipselt, aus den Boxen. Zwei Schlagzeuger malträtieren dazu Bierdosen im Fünf-Liter-Format, während eine Pianistin auf dem präparierten Flügel Bruchstücke amerikanischer Folklore zertrümmert. Das Ensemble Credo 21, extra für dieses erstaunliche Format „Neuland“ zusammengestellt, bringt das Festivalmotto „Heimat“ energetisch auf den Punkt. Rund 150 Zuschauer sind aus dem Häuschen, im Chat des Livestreams türmen sich Emojis klatschender Hände.

Fünf Stunden Programm muten die Festivalmacher ihrem Publikum zu, um die – nach einem kleinen Wettbewerb mit 60 Teilnehmern – zwölf Düsseldorfer Ensembles aus dem Corona-Schweigen wieder zum Klingen zu bringen. Die Rotarier hatten die Idee, gaben großzügig Geld und luden ganz auf die Schnelle ehrenamtlich Tätige ein, die als Live-Publikum erlaubt waren. Sie, und auch die schnell rund 2000 Besucher auf dem Youtube-Kanal, waren begeistert.

Der Mix macht’s bei „Neuland“. Wenn sich da etwa die Pianisten Anke Pan und Yuhao Guo noch für die Tonhalle relativ normal ausnehmen – sie hatten einen Satz Rachmaninow und Selbstkomponiertes im Pop-Gewand dabei –, oder das Priamos-Ensemble, das Alte Musik mit Oboe sehr fein zelebriert, so erlebt man Tanz auf der Tonhallen­bühne schon seltener. Hier boten Klarinettist Thomas Weißschnur mit den Tänzerinnen von Martin Chaix Dance eine ungewöhnlich schreitende Choreografie zu Steve-Reich-Musik.

Die Sounddesignerin Miki Yui erweiterte live ein virtuoses Cello-Solo über ein alt-japanisches Puppentheater von Toshiro Mayuzumi, das der begnadete Cellist Michiaki Ueno überzeugend interpretierte. Die beiden hatten für „Neuland“ zusammengefunden. Wir können berichten über vier Frauen, die als „Ensemble unterwegs“ in Wanderkluft Volkslieder oder Mahler am Feldrand aufführen; vom begabten Gitarrenduo Twofourtwelve; dem beeindruckenden Stück „Beautiful Death“ von Evan Williams, das die Sinfonietta Vivazza in klassischer Nonett-Aufstellung
musizierte.

Bassist Rolf A. Scheider und Alexander Pankov am Akkordeon begeisterten mit witzig-bissigen Liedern von Schostakowitsch. Lex Eazy & The Mambo Club stehen als Sextett für gut gemachten Cha Cha Cha und Bossa Nova, Mothers of Guru für psychodelischen Soul mit Ambition. Nur Michio Woirgradt, Elektroniker und Multi-Instrumentalist, brachte den Abend kurz ins Wanken: Die Technik hakte. Nach Reset und launigen Kommentaren von Intendant Michael Becker auf seinem Moderatoren-Sofa rockte er den Saal dann aber nach
Belieben.

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