Kriminelle Großfamilien in NRW Der Bund schaltet sich in den Kampf gegen Clans ein

Düsseldorf · In NRW hat das Thema Konjunktur, viel wird getan. Aber die Familien sind überregional und international verbunden. Ohne Zusammenarbeit führt Repression nur zu einem Verdrängungswettbewerb zwischen Bundesländern oder EU-Staaten.

 Razzia gegen Clans in Duisburg – die gab es seit 2018 in NRW häufig.

Razzia gegen Clans in Duisburg – die gab es seit 2018 in NRW häufig.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Der Kampf gegen kriminelle Clans mit arabischen Wurzeln beherrscht in Nordrhein-Westfalen seit Monaten die Schlagzeilen. Das jüngst vom Landeskriminalamt (LKA) veröffentlichte Lagebild offenbarte die Dimension des Problems: 104 Clans mit mindestens rund 6500 kriminellen Mitgliedern leben über das Bundesland verstreut. Längst weiß man aber auch: Das Problem ist kein NRW-spezifisches und wird sich allein hierzulande nicht lösen lassen. Jetzt soll es Hilfe vom Bund geben.

Dass man hierzulande nicht recht weiß, was man noch tun könnte, zeigte sich am Freitag in einer Aktuellen Stunde im Landtagsplenum zum Thema. Dietmar Panske von der CDU beschwor „null Prozent Toleranz und 100 Prozent Rechtsstaat“ im Umgang mit den kriminellen Großfamilien, Alexander Brockmeier von der FDP „einen langen Atem“ dabei. Die rot-grüne Opposition indes stört sich vor allem daran, dass Innenminister Herbert Reul (CDU) es so aussehen lässt, als habe die Vorgängerregierung das Thema verschlafen. Was der sogleich bekräftigte und darauf verwies, dass seit dem vergangenen Sommer nun 500 Polizeiaktionen gegen Clans stattgefunden hätten, man mehr als 100 Objekte geschlossen und über 10 000 Verstöße geahndet habe.

Viel Neues war wohl nicht zu erwarten, nachdem – abgesehen von Razzia über Razzia – eine Task Force zur Abschöpfung der illegal erworbenen Vermögen eingerichtet wurde, das Justizministerium spezialisierte Staatsanwälte in die Clan-Brennpunkte entsandte, Expertenforen und Symposien zum Thema veranstaltet wurden. Verena Schäffer von den Grünen wandte immerhin noch ein, dass es jetzt auch darauf ankomme, wie viele Anklagen und Urteile das große Polizei-Tamtam nach sich ziehen werde.

Mehr Personal fürs BKA und ein neues Kooperationsmodell

Wenn man sich allerdings vor Augen führt, dass laut Lagebild in ausnahmslos jeder Region Nordrhein-Westfalens kriminelle Clanmitglieder leben und zudem Berlin, Bremen und Niedersachsen gleichfalls unter der Clan-Problematik ächzen, ist klar, dass es weder dem NRW-Kabinett noch den NRW-Gerichten allein gelingen wird, diese über Jahrzehnte verfestigte Parallelwelt in die westliche Gesellschaft zu überführen. In der „Bild“-Zeitung kündigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in dieser Woche an, dem Bundeskriminalamt (BKA) für die Bekämpfung der Clankriminalität mehr Personal zu verschaffen.

Zudem wurde ein Kooperationsmodell unter dem Titel „Blick“ (Bund-Länder-Initiative zur Bekämpfung der Clankriminalität) eingerichtet. Der Ausbau der überregionalen Zusammenarbeit „genießt eine besondere Priorität bei der Behandlung des Themas“, heißt es auf Anfrage dieser Zeitung beim LKA NRW. Mit „Blick“ werde „ein weiterer wichtiger Fortschritt bei der ganzheitlichen Befassung mit der Clankriminalität erzielt“. Derzeit erarbeiteten Bund und Länder Umsetzungsvorschläge auf Grundlage gemeinsamer Zielsetzungen Umsetzungsvorschläge für das Kooperationsmodell.

Aber auch an die internationale Zusammenarbeit stellt das Clan-Phänomen neue Herausforderungen. „Die in NRW und in Deutschland lebenden Clanfamilien pflegen untereinander und ins jeweilige Heimatland intensive Kontakte“, so ein LKA-Sprecher. „Darüber hinaus sind die Familien meist auch international vernetzt und verwandtschaftlich verflochten.“ Es gebe Bezüge von Clans in NRW etwa nach Schweden und Dänemark. Die Familien seien zunehmend mobil – und das auch zwecks Begehung von Straftaten. Auf Länderebene gebe es bei den Ermittlungen daher „operative Kontakte“, auf Bundesebene einen strategischen Informationsaustausch. Die Clans, das ist offensichtlich, sind ein Feld, auf dem sich Ansätze einer europäischen Innenpolitik bewähren müssten. Denn sonst erreicht man sehr wahrscheinlich nur einen Verdrängungswettbewerb zwischen den Staaten: Wer repressiv viel auffährt, verkleinert sein Problem, während es im Nachbarland aufpoppt. Aber so verschwindet die Parallelwelt nicht, sie wandert bloß.

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