Covid-19-Impfstoff Sieben statt sechs Impfdosen pro Ampulle

DÜSSELDORF/BERGISCH GLADBACH · Hans-Christian Meyer, Arzt im Covid-19-Impfzentrum von Bergisch Gladbach, will Spezialspritzen verwenden, Doch das Gesundheitsministerium verbietet das.

 Im Altenzentrum „Haus Vogelsang“ in Wermelskirchen impfte Dr. Hans-Christian Meyer kürzlich Tatjana Henn gegen Corona.

Im Altenzentrum „Haus Vogelsang“ in Wermelskirchen impfte Dr. Hans-Christian Meyer kürzlich Tatjana Henn gegen Corona.

Foto: Ja/Doro Siewert

15 Prozent mehr Impfstoff könnten aus den vom Impfstoffhersteller Biontech gelieferten Impfstoff-Ampullen herausgeholt werden. Doch der Mann, der eben dies angesichts der viel beklagten Knappheit des Covid-19-Impfstoffs erreichen möchte, wurde vom NRW-Gesundheitsministerium zurückgepfiffen.

Hans-Christian Meyer ist Impfarzt im Impfzentrum Bergisch Gladbach. „Fassungslos und erschüttert“ sei er, dass er den erfolgreich praktizierten Weg, aus einer Ampulle des Impfstoffs sieben statt sechs Dosen ziehen zu können, jedenfalls vorerst nicht mehr weiterverfolgen darf. Hätte das NRW-Gesundheitsministerium nicht auf die Bremse getreten, so hätten allein am Wochenende im Bergisch Gladbacher Impfzentrum 52 Menschen mehr geimpft werden können, sagt er. 

Aber wie kommt Impfarzt Meyer zu seinen Erfolgen? Seine Erfahrung: In den von Biontech gelieferten Ampullen sei regelmäßig mehr als der für sechs Injektionen bemessene Impfstoff. Sogenannte Zero-Residual-Spritzen ermöglichten ein entsprechend sparsames Verwenden des Impfstoffs. Denn diese könnten so exakt aufgezogen werden, dass keinerlei Rest zurückbleibt. Solche Spritzen wurden für Injektionen ins Auge entwickelt, bei denen es auf sehr genaue Dosierungen ankommt.

Impfarzt Meyer ließ sich die Spezialspritzen aus den Niederlanden liefern und setzte sie nach eigenen Angaben bereits bei Impfaktionen in Alten- und Pflegeheimen ein. Er habe dabei je sieben statt sechs Dosen aus einer Ampulle geholt. Dieses Verfahren übertrug er auch aufs Impfzentrum Bergisch Gladbach und hätte es gern zum Modellversuch für andere Impfzentren ausgebaut.

Warum es jetzt gestoppt wurde, darüber mutmaßt Meyer im „Welt“-Interview so: Jemand aus dem Ministerium habe sich wohl bei der Kassenärztlichen Vereinigung beschwert, er sei gegenüber den Pharmazeuten im Impfzentrum, die die Spritzen aufziehen, nicht weisungsbefugt. Mit anderen Worten: Nicht die Ärzte, sondern die Pharmazeuten bestimmen über Spritzen und deren Befüllung. Für die Organisation der Impfungen in den landesweit 53 Impfzentren sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zuständig. Eine Nachfrage dieser Zeitung bei der für unsere Region zuständigen KV Nordrhein wurde zuständigkeitshalber unbeantwortet gelassen. Im NRW-Gesundheitsministerium würden die Spritzen ausgewählt, bestellt sowie entsprechende Verwendungs-Vorgaben erlassen, hieß es nur. Das Ministerium organisiere auch die entsprechenden Belieferungen der Kommunen mit den Spritzen.

Das Vorbereiten der Impfung ist Sache der Pharmazeuten

Ein Sprecher von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärt dazu: „Das Land hat mit den Apothekerkammern einen Vertrag geschlossen, wonach Apotheker und Pharmazeutisch Technische Assistenten für die Rekonstitution in den Impfzentren verantwortlich sind.“ Unter Rekonstitution wird die Überführung des Impfstoffs in seine anwendungsfähige Form verstanden. Das Haftungsrisiko liege dabei grundsätzlich beim Land. Der Ablauf der Rekonstitution und die zu verwendenden Spritzen seien per Erlass abschließend geregelt. Der Rheinisch-Bergische Kreis habe jedoch entgegen der Erlasslage Zero-Residual-Spritzen beschafft und diese im dortigen Impfzentrum eingesetzt.

Das Ministerium habe die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) gebeten, insbesondere vor dem Hintergrund des Haftungsrisikos den Sachverhalt zu prüfen. Die KVNO sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorgehensweise gegen den Vertrag zwischen Land und den Kassenärztlichen Vereinigungen verstößt. Denn Ärztinnen und Ärzte dürften demnach nicht statt der Apotheker die Rekonstitution übernehmen. Nun solle zunächst eine fachliche Prüfung der Zero-Residual-Spritzen und eine Autorisierung durch das Ministerium ausgesetzt werden, bis die Frage der Eignung abschließend geklärt ist.

Sieben Impfungen auch mit konventionellen Spritzen?

Der Ministeriumssprecher betont, eine Entnahme eines siebten Impfstoffes sei auch mit den vom Land beschafften Materialien möglich. Das hänge ausdrücklich nicht mit den Spritzen beziehungsweise Kanülen zusammen, sondern sei abhängig von mehreren Faktoren: unter anderem den Erfahrungswerten der Pharmazeuten und dem Grad der Überfüllung. Die Zero-Residual-Spritzen seien keine Bedingung für die Entnahme der siebten Dosis.

Impfarzt Meyer sieht das anders. „Mit den normalen Spritzen, die ich nun wieder nutzen soll, ist es kaum möglich, eine siebte Dosis aus den Ampullen zu ziehen“, sagte er im „Welt“-Interview. Der Ministeriumssprecher hält dagegen, dass auch die vom Land beschafften Spritzen gemäß Hersteller über kein Totraumvolumen verfügten. Andererseits lägen dem Ministerium bislang keine Informationen zu den Zero-Residual-Spritzen vor, dass diese für die Verimpfung des Biontech-Impfstoffes tatsächlich geeignet sind und die medizinprodukterechtlichen Anforderungen für das Inverkehrbringen erfüllen.

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