Bund-Länder-Treffen Über diese Maßnahmen soll heute beim Corona-Gipfel entschieden werden

Berlin · Bund und Länder wollen beschließen, welche strengeren Corona-Regeln in diesem Winter tatsächlich zum Einsatz kommen. Einige Maßnahmen wurden in NRW schon angekündigt.

2G könnte nun auch auf den Handel ausgeweitet werden.

2G könnte nun auch auf den Handel ausgeweitet werden.

Foto: dpa/Carsten Koall

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat vor der Bund-Länder-Runde an diesem Donnerstag konsequente Entscheidungen im Kampf gegen die dramatisch hohen Corona-Zahlen verlangt.

„Wir dürfen heute in der Ministerpräsidentenkonferenz keine halben Sachen machen, sondern müssen die vierte Welle entschlossen brechen“, sagte der aktuelle Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Länder brauchen dazu den bewährten Instrumentenkasten der Pandemiebekämpfung.“ Er sei auch dankbar, dass der voraussichtliche Nachfolger von Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt, Olaf Scholz (SPD), zugesagt habe, das Infektionsschutzgesetz erneut spürbar nachzubessern. „Das muss jetzt aber auch konsequent geschehen“, betonte Wüst.

Bereits am Dienstag hatten Bund und Länder sich grundsätzlich auf strengere Corona-Regeln geeinigt, nun wollen Merkel, Scholz und die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten die bisherigen Maßnahmen verschärfen, um die stark steigenden Infektionszahlen in den Griff zu bekommen.

Dabei liegt eine Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch:

Einkaufen

Weitgehende Einigkeit herrscht über eine Ausweitung der 2G-Regel auf den Einzelhandel. Zutritt zu den Läden hätten dann nur noch Geimpfte und Genesene. Ausnahmen sind nur für Läden des täglichen Bedarfs wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken vorgesehen.

Lockdown

Für Regionen mit einer hohen Inzidenz zeichnet sich die Schließung von Clubs und Diskotheken ab, weil dort die Ansteckungsgefahr als besonders groß gilt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte das bereits für NRW am Mittwoch angekündigt. Restaurants bleiben wohl vorerst offen, aber auch hier ist die Möglichkeit von regionalen Schließungen im Gespräch.

Stadion und Großveranstaltungen

Bund und Länder erwägen eine Begrenzung der Zuschauerkapazitäten bei überregionalen Sport-, Kultur- und anderen Großveranstaltungen auf 30 Prozent. Das geht aus einer vorläufigen Beschlussvorlage für die Bund-Länder-Runde hervor, die am Donnerstag erneut zu Beratungen über die Corona-Krise zusammenkommen will.

Die 30-Prozent-Begrenzung soll demnach ebenso für geschlossene Räume gelten wie für Veranstaltungen im Freien. In Räumen soll die Auslastung zusätzlich bei 5000 Zuschauern gedeckelt werden, im Freien bei 15 000. Nur Geimpfte und Genesene sollen Zugang haben und auch medizinische Masken tragen.

Impfungen

Bis Weihnachten sollen 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen durchgeführt werden. Dafür sollen mehr Berufsgruppen als bisher zur Impfung berechtigt sein, vor allem Apotheker und Zahnärzte. Da der Impfschutz nach einer gewissen Zeit nachlässt, wird auch eine Regelung erwogen, wonach Geimpfte ihren Impfstatus nach einer gewissen Zeit wieder verlieren.

Kontaktbeschränkungen

Ungeimpfte sollen sich mit möglichst wenig Menschen treffen, um niemanden anzustecken. In einer Beschlussvorlage vom Donnerstagmorgen heißt es dazu: „Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum, an denen nicht geimpfte und nicht genesene Personen teilnehmen, sind auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes zu beschränken.“ Kinder bis zur Vollendung des 14 Jahres seien davon auszunehmen. Ehegatten, Lebenspartner und Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften sollten als ein Haushalt gelten, auch wenn sie keinen gemeinsamen Wohnsitz haben. „Private Zusammenkünfte, an denen ausschließlich Geimpfte und Genesene teilnehmen, sind davon nicht berührt.“

Weihnachtsmärkte und Karneval

Bei Weihnachtsmärkten soll der Zugang bundesweit und unabhängig von der Neuinfektionsrate auf Geimpfte und Genesene (2G) beschränkt werden. „Ergänzend kann ein aktueller Test vorgeschrieben werden (2G Plus)“, heißt es in einem Arbeitspapier vom Donnerstagmorgen. „Die Teilnahme an Karnevalsveranstaltungen ist nur für Geimpfte und Genese möglich, die einen aktuellen Test vorweisen müssen (2G Plus).“

Kontrollen von 3G am Arbeitsplatz und Homeofficepflicht in NRW

Die nordrhein-westfälischen Arbeitsschutzbehörden kontrollieren ab sofort die Einhaltung der 3G-Regelung am Arbeitsplatz. Auch die Umsetzung der Hygieneschutzkonzepte und der Homeoffice-Pflicht werde ab sofort mit Schwerpunktkontrollen überprüft, teilte das NRW-Arbeitsministerium am Mittwoch mit.„Wir befinden uns in einer sehr kritischen Phase der Pandemie. Hier trifft auch die Arbeitgeber und Beschäftigten eine große Verantwortung“, sagte Minister Karl-Josef Laumann (CDU). „Wer sich nicht an die Regeln hält, oder sogar mit gefälschten Test- und Impfnachweisen erwischt wird, muss mit spürbaren Konsequenzen rechnen.“

Impfpflicht

Um Alte und Kranke vor einer Ansteckung zu schützen, sollen die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichtet werden. Eine solche Regelung könnte relativ rasch kommen. Erst für Februar oder März wird eine allgemeine Impfpflicht angepeilt, der Bundestag soll darüber entscheiden. Ein rascher Effekt auf Impfquote und Infektionsgeschehen ist also nicht zu erwarten.

Scholz plädiert dafür, die Impfung gegen Covid-19 verpflichtend zu machen. Einen Fraktionszwang soll es im Bundestag bei der Abstimmung nicht geben. Scholz rief am Mittwochabend eindringlich zum Impfen auf. „Nur das hilft“, sagte der SPD-Politiker in der ProSieben-Sendung „Joko und Klaas 15 Minuten live“. Die beiden Entertainer haben viele Schüler und Studenten unter ihren Fans.

Scholz sagte weiter: „Neu in dieser vierten Welle ist: Die Linie zwischen denen, die nach einer Covid-Erkrankung einen milden oder einen sehr schweren Verlauf haben, geht nicht mehr zwischen Alten und Jungen, sondern zwischen Geimpften und Ungeimpften. Und dabei muss jeder wissen: Wer sich nicht impfen lässt, gefährdet sich selbst, gefährdet Kinder und alle seine Mitmenschen, die sich aufgrund von Vorerkrankungen nicht impfen lassen können.“

Eine allgemeine Impfpflicht bleibt unterdessen umstritten. Der geschäftsführende Kanzleramtschef und CDU-Vorsitzkandidat Helge Braun sagte am Abend bei einer CDU-Veranstaltung, er habe sich zu einer Impfpflicht durchgerungen. Norbert Röttgen, ebenfalls Vorsitzkandidat, betonte in der „Rheinischen Post“ (Freitag): „Auch meine Meinung hat sich dahin entwickelt, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen.“ Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann betonte dagegen im „Bild“-Talk „Viertel nach Acht“: „Ich finde, die Debatte kommt zur Unzeit, und ich bin selbst davon nicht überzeugt.“

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer wandte sich in der „Augsburger Allgemeinen“ ebenfalls gegen eine Impfpflicht. In der FDP-Fraktion gibt es auch andere Ansichten. Aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sollten Kinder bei einer Impfpflicht außen vor bleiben, wie er bei RTL/ntv betonte.

Patientenschützer rechnen mit Milliardenkosten bei Umsetzung einer Impfpflicht. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der dpa mit Blick auf Booster-Impfungen, es brauchte dann eine Infrastruktur, die allein 2022 halbjährlich Impfungen für Millionen Menschen gewährleiste. Das könnten die Hausärzte nicht zusätzlich leisten. Nötig wäre der Aufbau von mindestens 400 Impfzentren.

Der Handelsverband Deutschland befürchtet durch 2G-Regeln Umsatzverluste von bis zu 50 Prozent für die betroffenen Firmen. „Das ist nach den ohnehin schon kräftezehrenden Lockdowns der vergangenen Monate für viele nicht zu verkraften“, sagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Funke Mediengruppe. Lauterbach verteidigte in der „Rheinischen Post“ 2G-Regeln für das öffentliche Leben, auch im Handel. Für die Gastronomie sollte sogar 2G plus gelten, forderte er. Damit bräuchten Geimpfte und Genesene zusätzlich einen negativen Corona-Test.

(dpa)
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