Pandemie Coronavirus: Das Delta-Schreckgespenst

Meinung · Mit einer drastischen Maßnahme hat Portugal am Wochenende für Aufsehen gesorgt. Bis heute durften die 2,8 Millionen Bewohner der portugiesischen Hauptstadt den Großraum Lissabon nur aus triftigem Grund verlassen.

 Die Delta-Variante breitet sich weiter aus.

Die Delta-Variante breitet sich weiter aus.

Foto: dpa/Jesus Vargas

Wegen der stark steigenden Infektionszahlen mit der gefürchteten Delta-Variante B.1.617 wurde die Stadt dicht gemacht. Natürlich kann man argumentieren, die Abschottung sei angesichts einer relativ entspannten Lage maßlos übertrieben. Aber: Die zunächst in Indien entdeckte und inzwischen auch in Großbritannien vorherrschende Mutante macht in Lissabon mehr als 60 Prozent aller Fälle aus. Anfang Mai wies der einstige Hotspot Portugal noch die niedrigsten Werte Europas auf, jetzt liegt er wieder bei einer Inzidenz von 72,3.

Hierzulande sind wir mit einer einstelligen Inzidenz von 8,8 (erstmals seit September) buchstäblich auf der sonnigen Seite. Gefühlt geht die Pandemie zu Ende. Das Nachholbedürfnis an sozialen Kontakten ist groß, beim EM-Public-Viewing im Freien stellt sich fast so etwas wie Unbeschwertheit ein. Doch auch wenn sich Corona zurückzieht, ausblenden sollte man die dunklen Warnungen von RKI-Chef Lothar Wieler nicht. Jeder Geimpfter ist zwar ein Unsicherheitsfaktor weniger, aber mit Delta lauert eine neue Unbekannte.

Mit dieser Variante werden besonders schwere Verläufe assoziiert. Markus Söder (CSU) und Karl Lauterbach (SPD) sprechen schon  von einem „Wettlauf gegen die Zeit“. Gesundheitsminister Jens Spahn verkündet fast schon beiläufig, dass er den  Wechselunterricht nach den Ferien beibehalten will. Ab heute gelten aber auch neue Lockerungen. So gehen die Vorstellungen davon, welche Vorsichtsmaßnahmen im weiteren Umgang mit dem Coronavirus angebracht sind, mal wieder weit auseinander. Ob Delta tatsächlich kommt und wie schlimm die Variante wird, ist Stand heute kaum vorherzusagen. Sich auf eine vierte Welle vorzubereiten, ist im Jahr zwei der Pandemie trotzdem notwendig  – denn ein Déjà-vu will im Herbst wohl niemand erleben: Schließlich hatte der Sommer 2020 auch den Anstrich von Normalität, präventiv passiert ist nichts.

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