Immobilienbranche in Zeiten der Corona-Krise Alle sollten an einem Tisch sitzen

Düsseldorf. · Ein neues Gesetz soll Mieter, die wegen der Corona-Krise Zahlungsschwierigkeiten haben, vor Kündigung schützen. Das könnte nun Vermieter in Bedrängnis bringen.

 Besser reden, als einseitig handeln: Wenn Mieter derzeit in Folge der Krise klamm sind, sollten sie mit ihren Vermietern sprechen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. 

Besser reden, als einseitig handeln: Wenn Mieter derzeit in Folge der Krise klamm sind, sollten sie mit ihren Vermietern sprechen und gemeinsam eine Lösung erarbeiten. 

Foto: Getty Images/iStockphoto/IPGGutenbergUKLtd

Die Ankündigung mehrerer Konzerne, im Zuge der Coronakrise für zahlreiche Filialen keine Miete zu zahlen, sorgt weiter für Aufregung. Hintergrund ist ein neues Gesetz, wonach Mieter drei Monate lang nicht gekündigt werden können, wenn sie als Folge der Coronakrise in einen Zahlungsrückstand geraten. Das Gesetz gilt für Wohn- und Gewerbemieten.

Während große Wohnungs- und Immobilienkonzerne die drohenden Mieteinbußen wohl besser verkraften können, könnten vor allem kleine Privatvermieter selbst in Nöte geraten. Schon frühzeitig warnte der Eigentümerverband Haus und Grund: „Viele ältere Vermieter sind auf ihre Mieteinnahmen angewiesen, zum Beispiel weil die Mieten für die Rente verwendet werden müssen! 22 Prozent der Vermieter haben ein Einkommen unterhalb des Medians der Bevölkerung, 40 Prozent sind Pensionäre.“

„Zahlreiche Vermieter rechnen mit Mietausfällen“, bestätigt Dr. Werner Fliescher, Vorstand von Haus und Grund. Nun ist die überwiegende Zahl der Mieter sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich bei weitem nicht so finanzkräftig wie große Konzerne. Fliescher betont gerade deshalb das gute Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern, das die Mehrheit pflege: „Wir empfehlen daher in Fällen von Zahlungsrückständen als Folge der Pandemie einen partnerschaftlichen Umgang. Beide Parteien, Mieter und Vermieter, haben ein Interesse daran, gemeinsame Lösungen zu finden und gut durch die Krise zu kommen.“ Der Vorstand erwartet daher auch nicht, dass es zu Kündigungen von Mietverhältnissen in solchen Fällen kommen wird.

Der Düsseldorfer Immobilienmakler Thomas Schüttken, Geschäftsführer der Böcker Wohnimmobilien, schlägt ebenfalls versöhnliche Töne an: „Das Miet-Moratorium ist in der aktuellen Situation nachzuvollziehen. Andererseits befinden sich Immobilienbesitzer in einer ähnlichen Lage. Warum sollen sie die Zeche zahlen? Am besten suchen also Vermieter und Mieter gemeinsam nach einer Lösung.“ Noch relativ entspannt sehen viele Baufinanzierer die Lage bei Immobilienkäufern. „Wir rechnen nicht damit, dass es kurzfristig Probleme bei der Darlehenstilgung geben wird. Vielen Käufern wird die gute Tilgungsdisziplin der letzten Jahre helfen“, sagt Michael Westerhove, Geschäftsführer S Corpus Immobilienmakler GmbH.

Bernd Meier, Direktor des Baufinanzierers Hüttig & Rompf, rät: „Mieter, aber auch Käufer von Immobilien, die Schwierigkeiten mit ihren Darlehensraten bekommen könnten, sollen in jedem Fall das Gespräch suchen – mit den Vermietern, den Banken, den Finanzierern. Bei KfW-Krediten wird zum Beispiel die Möglichkeit diskutiert, nicht in Anspruch genommene tilgungsfreie Jahre im Nachgang zu gewähren. Die finanzierenden Banken und Sparkassen sind in aller Regel bereit, die Tilgung in einer akuten Notlage für einige Monate komplett auszusetzen oder zu reduzieren (wenn nicht grundsätzlich als Darlehensbedingung möglich). Auch dem finanzierenden Institut ist diese Option wesentlich lieber als ein Scheitern der kompletten Immobilienfinanzierung.“ Wie schaut es bei den vielen kleinen und mittelständischen Gewerbetreibenden aus, die die Miete mehr als die drei Monate nicht mehr zahlen können? „An exponierten Lagen wie der Düsseldorfer Kö erwarten wir weniger Probleme“, erläutert Haus und Grund-Vorstand Dr. Werner Fliescher: „Schlimm werden könnte es in den nicht so attraktiven Lagen: Hier wird mancher gewerbliche Mieter vielleicht nicht mehr auf die Beine kommen. Dann wird in vielen Stadtteilen ein Teil unserer Kultur verschwinden, wenn Restaurants, Kioske und Läden nicht mehr öffnen.“

Dr. Jens Ortmanns, Partner in der internationalen Wirtschaftskanzlei McDermott Will & Emery, rät ebenfalls zur einvernehmlichen Lösung der Situation. Wie immer kommt es aufs Detail an: Das Gesetz gewährt einen Kündigungsschutz bei Zahlungsrückständen, die in den Monaten April bis Juni 2020 entstehen. Sind solche Zahlungsrückstände auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen, kann der Vermieter wegen dieser Zahlungsrückstände in den kommenden zwei Jahren nicht kündigen.

„Es reicht, wenn der Mieter glaubhaft macht, dass die Nichtzahlung der Miete auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht“, sagt Ortmanns. Das Gesetz sieht aber kein Moratorium für Mietverträge vor und gibt somit dem Mieter kein Leistungsverweigerungsrecht an die Hand. Zahlt der Mieter gleichwohl die Miete nicht, verlagert sich das Problem wirtschaftlich auf den Vermieter. Er muss weiterhin fällige Zinsen und Tilgungen seiner Darlehen leisten. „Das Gesetz sieht hierfür keine Regelung vor; Vermieter müssen diese Themen mit ihren Finanzierungspartnern daher selbst lösen“, so Ortmanns.

Doch genau hier sieht der Experte auch einen Ausweg: „Es ist am besten, wenn alle Beteiligten miteinander sprechen und die Zeit gemeinsam durchstehen.“ Juristen mit einem umfassenden Verständnis für Immobilienprojekte könnten zu einem Interessensausgleich beitragen, sagt Ortmanns. „Wir versammeln aktuell bereits in vielen Fällen alle Beteiligten an einem virtuellen Tisch.“ Bei aller Komplexität macht der Jurist Mut: „Wichtig ist es, gemeinsam Lösungen zu finden. Es gibt ausreichend juristische Instrumente, das zu erreichen.“

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