Corona in NRW Darum erteilt Laschet einer "Exit-Strategie" eine Absage

Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Laschet macht wenig Hoffnung auf eine Entspannung der Corona-Krise und appelliert an die Bevölkerung nicht aufzugeben. Die SPD wirft ihm einen Schlingerkurs vor.

 „Vorschnelle Öffnungen, die das Erreichte gefährden könnten, wird es nicht geben“, sagte Laschet am Mittwoch im Landtag in Düsseldorf.

„Vorschnelle Öffnungen, die das Erreichte gefährden könnten, wird es nicht geben“, sagte Laschet am Mittwoch im Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Mit einer eindringlichen Warnung vor einer dritten Corona-Welle hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident rasche Lockerungen der Corona-Maßnahmen ausgeschlossen. „Vorschnelle Öffnungen, die das Erreichte gefährden könnten, wird es nicht geben“, sagte Laschet am Mittwoch im Landtag in Düsseldorf. Es war seine erste Plenarrede seit seiner Wahl zum CDU-Bundesvorsitzenden. Die Opposition aus SPD und Grünen warf Laschet einen Schlingerkurs in der Pandemie-Bekämpfung vor und forderte einen langfristigen Plan.

Laschet warnte - teils mit denselben Worten wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - vor einer dritten Corona-Welle durch die Virus-Mutationen. „Die Corona-Pandemie ist eine Jahrhundertkatastrophe, eine Naturkatastrophe, eine Belastungsprobe historischen Ausmaßes - das müssen wir uns immer wieder bewusst machen.“

In der „wohl kritischsten Phase der Pandemie“ dürfe der Kampf gegen Corona jetzt nicht aufgegeben werden, appellierte Laschet an die Bevölkerung. Eine Ausbreitung der Virus-Varianten werde wahrscheinlich nicht verhindert werden können. Aber der Prozess könne verlangsamt werden. Es sei ein „Rennen mit der Zeit“. Die Erfahrung in Irland zeige aber, dass ein „konsequenter Lockdown auch mit strengen Kontaktbeschränkungen ein „gutes Mittel“ sei, auch das mutierte Virus einzudämmen.

„Der Kampf gegen das Virus ist kein Sprint, er ist ein Marathon“, sagte Laschet. Und die letzten Kilometer seien die härtesten, fügte er mit Blick auf den bis mindestens 14. Februar andauernden Lockdown mit geschlossenen Schulen, Geschäften und Freizeiteinrichtungen hinzu.

Doch auch „Homeoffice für kleine Kinder ist keine dauerhafte Lösung“, betonte Laschet. Er gestand auch ein, dass Wirtschaftshilfen zum Teil zu spät ausgezahlt worden seien und bei Betrieben die Angst einsetze, „ob sie diese Krise wirklich überleben können“.

Einen Langzeitplan raus aus der Krise aber konnte und wollte Laschet angesichts der Unsicherheiten über mutierte Viren und Impfstoff-Lieferschwierigkeiten bei den Pharmakonzernen erneut nicht bieten. Die aktuelle Entwicklung mache aber Mut. Die Inzidenzwerte gingen zurück. In den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen entspanne sich die Lage.

Von ungewohnter Seite bekam Laschet im Landtag zunächst ein Lob. SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty gratulierte dem Ministerpräsidenten nicht nur zur Wahl zum CDU-Bundesvorsitzenden, sondern sagte auch: „Ich bin sehr froh, dass an der Spitze der CDU jetzt ein erklärter Gegner der radikalen Rechten steht.“ Mittwoch war der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee die Überlebenden des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Auch der Landtag in Düsseldorf legte eine Schweigeminute ein.

Doch dann legte die Opposition mit ihrer Kritik an der Corona-Strategie los. Angesichts der Verzögerungen bei den Impfungen in NRW warf Kutschaty der Landesregierung vor, falsche Hoffnungen bei den Menschen geweckt zu haben. Der holprige Start der Vergabe der Impftermine für Personen ab 80 Jahren habe am Montag für viele Menschen mit „Frust und Enttäuschung“ begonnen. „Wenn wir hier das Vertrauen der Menschen zerstören, hat das gravierende Folgen.“

Zum Start der Terminvergabe waren am Montag die Anmelde-Webseiten und Hotlines geradezu überrannt worden. Laschet sah keine Versäumnisse. „Es ist doch lebensfremd zu glauben, dass das gut geht, wenn alle gleichzeitig zum Hörer greifen.“ In den ersten beiden Tagen seien Impftermine an rund 275 000 Menschen vergeben worden. Er bekräftigte die Garantie: In den nächsten Tagen würden alle der rund eine Million Menschen ab 80, die sich impfen lassen wollen, einen Termin vereinbaren können.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Josefine Paul forderte, ein Jahr nach Auftreten des Coronavirus müsse es „endlich Konzepte für ein Leben mit der Pandemie“ geben. Wenn Laschet als CDU-Bundeschef sage, dass es keine Strategie bis zum Sommer geben könne, habe das wenig mit verlässlicher Politik zu tun. „Ihr "Fahren auf Sicht" gleicht seit Monaten eher einem Stochern im Nebel“, sagte Paul. Auch Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bleibe weiterhin eine verlässliche Planung schuldig. Wechselmodelle von Fern- und Präsenzunterricht müssten jetzt vorbereitet werden.

Kritik an der Corona-Strategie der schwarz-roten Bundesregierung kam auch von der FDP, die in NRW Koalitionspartner ist, im Bund aber Opposition. FDP-Fraktionschef Christof Rasche sagte, es bestehe der Eindruck, dass Berlin sich nur von bestimmten Wissenschaftlern beraten lasse, die die Regierungsmeinung ohnehin bestätigten. Man müsse aber „die Wissenschaft in Gänze einladen und aus der Vielfalt die richtigen Schlüsse ziehen“.

Auch ein Hauch von Wahlkampf wehte bereits durch den Plenarsaal. CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen warf Kutschaty, der SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2022 werden soll, einen „opportunistischen Wahlkampf für sich selbst vor“. Löttgen gilt im Übrigen als einer der möglichen Kandidaten für Laschets Nachfolge, sollte dieser ins Kanzleramt wechseln.

Für die AfD bemängelte der Abgeordnete Martin Vincentz, dass anstatt Rationalismus bei der Pandemie-Bekämpfung zu einem Werkzeugkasten aus China mit Lockdowns und Quarantäne gegriffen werde. Im Zweifel würden in Deutschland immer noch autoritäre Maßnahmen bevorzugt. Der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) konterte: Dass die AfD, die in ihren eigenen Reihen totalitäre Ansichten dulde, von demokratischer Kultur rede, „ist ein Treppenwitz“.

( Von Dorothea Hülsmeier, dpa)
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