Bachner „Wir müssen Positives hervorheben“

Dompropst Gerd Bachner spricht im Interview über sein Leben in der Corona-Krise, die Auswirkungen im Dom und die Veränderungen in der Gesellschaft.

 Dompropst Gerd Bachner erledigt seine tägliche Arbeit derzeit hauptsächlich über E-Mail und Telefon.

Dompropst Gerd Bachner erledigt seine tägliche Arbeit derzeit hauptsächlich über E-Mail und Telefon.

Foto: dpa

Wie erleben Sie im Moment das Leben und Arbeiten in der Corona-Krise?

Gerd Bachner: Ich bin seit 48 Jahren Priester und das, was ich im Moment erlebe, ist eine ganz neue Erfahrung. Wo sonst alles auf lange Zeit geplant ist, hat man es aktuell jeden Tag mit einer ganz neuen, veränderten Situation zu tun, auf die man sich immer wieder einstellen muss. Dazu kommt, dass fast alles an Begegnungsfeldern wie die Gottesdienste abgesagt werden musste. Jeden Tag muss ich mich neu auf das Gebot der Stunde und auf die aktuellen Notwendigkeiten einstellen. Ich habe noch nie so viel in meinem Leben telefoniert und gemailt wie jetzt. Das ist die einzige gefahrlose Art und Weise, wie man jetzt miteinander sprechen und sich austauschen kann. Es ist eine ganz andere Art der Arbeit und der Begegnung mit Menschen, die auch jetzt gerade in der Krise meine Hilfe und Wachsamkeit brauchen. Es geht jetzt darum, die gegenseitige Verbundenheit auszudrücken, zu zeigen, dass man nicht alleine dasteht. Jetzt entstehen ganz neue Kontaktformen, die bislang zu kurz gekommen sind.

Wie sieht die aktuelle Situation am Dom aus, der nur noch zum Gebet zugänglich ist?

Bachner: Es gibt eine ganz kleine Gruppe, die Unverständnis gegenüber den Domschweizern zeigt und die auch mal aggressiv reagiert. Die weitaus größere Menge der Menschen schafft es, auf der einen Seite nicht in Panik oder Hektik zu geraten, nimmt aber auf der anderen Seite die Situation auch entsprechend ernst. Diese reagieren im Dom mit Besonnenheit auf die Schritte, die jetzt wegen der Corona-Krise angesagt sind. Wir stehen im stetigen Kontakt mit den Fachleuten vom Gesundheitsamt. Wir sind Bürger dieses Staates und halten uns an das, was die Kommunen für geboten erachten. Wir nehmen das ernst, versuchen aber auch in der Krise eigene Akzente zu setzen. So werden die Gottesdienste jetzt jeden Tag zweimal, morgens und abends, online beziehungsweise im Radio oder Fernsehen übertragen. So können Menschen, die aktuell ihr Haus nicht verlassen möchten oder können, das Wort Gottes hören und die Zuversicht des Glaubens erfahren.

Wie sieht das im Dom ganz praktisch aus?

Bachner: Die Wege zur Schmuckmadonna, wo man eine Kerze anzünden kann, und zur Marienkapelle, wo am Tabernakel eine eucharistische Anbetung möglich ist, sind abgekordelt und damit klar vorgegeben. So bleibt der Dom der Ort, wo Menschen Kraft und Zuversicht finden können. Wir haben auch nach neuen Wegen gesucht und bieten ab sofort die Möglichkeit an, stellvertretend für jene, die nicht mehr unterwegs sein möchten, im Dom eine Kerze anzuzünden. Dazu haben wir die Menschen auf unseren Social-Media-Kanälen aufgefordert, uns ihre Bitten und Anliegen zu schicken. Die Resonanz war enorm: Binnen weniger Stunden haben wir über 200 Nachrichten bekommen. Das Beichtsakrament wird weiter gespendet, auch wenn mehr Abstand gehalten werden muss. Nicht möglich sind Gottesdienste mit Menschen sowie Taufen und Trauungen. Die müssen, wenn möglich auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Wie wird das Leben unserer Gesellschaft durch die Krise verändert?

Bachner: Ich bin als Regimentspfarrer in der Ehrengarde. Dort bieten die Kameraden sich aktuell Hilfe bei den Einkäufen an. Die Menschen rücken näher zusammen – das geschieht sinnvollerweise nicht räumlich, aber im Denken und Handeln. Man hat die Menschen im Blick, die gerade mit der Situation alleine nicht zurechtkommen. Hier sind viele bereit, anderen im Alltag zu helfen. Das wird die Gesellschaft verändern. Das gilt vielleicht nicht für jeden, aber für alle, die sich der Herausforderung auch stellen. Das wird Begegnungen und das Miteinander nachhaltig verändern.

Wie sieht Ihr Leben in der Corona-Krise ganz praktisch aus?

Bachner: Ich arbeite nach wie vor den ganzen Tag. Einen kurzen Teil bin ich mit unserer Sekretärin in der Dompropstei – zum Beispiel, um die Post durchzusehen. Das Meiste erledige ich aber per E-Mail oder per Telefon von meiner Wohnung aus. Es gibt auch ganz eindrucksvolle Begebenheiten, die ich hier nennen kann. Mir tut es von Herzen weh, dass wir die Aufführung des Friedensoratoriums ,Lux in Tenebris’ und die Domlesung im Rahmen der lit.Cologne absagen mussten. Da war zum Beispiel ein Dialog zwischen Brecht und Bonhoeffer geplant, der von Schauspielern gesprochen werden sollte. Die Texte waren bereits vorhanden und als ich Besuch von meinem Kollegen aus Speyer bekam, haben wir diese Texte in meiner Wohnung gemeinsam gelesen, wobei ich den Teil von Bonhoeffer übernommen habe. Daraus ist ein tiefer, geistiger Austausch entstanden. Wir müssen in dieser aktuellen schwierigen Gesamtsituation jetzt positive Akzente setzen und alles versuchen, um auch Positives hervorzuheben und nicht nur das Negative zu sehen. Wir können hier aus unserem Glauben heraus etwas bewirken.

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