Ausblick 2019 „Wir brauchen kurzfristige Mobilitätslösungen“

Burscheid · Der Burscheider Bürgermeister Stefan Caplan wirft im Interview mit dem Bergischen Volksboten einen Blick auf das kommende Jahr 2019.

Stefan Caplan: Natürlich gibt es eine Reihe von Themen die wahrscheinlich 2019 unsere Aufmerksamkeit brauchen. Dazu gehören zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung, der Innenstadtprozess und die Digitalisierung. Ich habe aber auch mit den Jahren gelernt, dass es anders kommt als man am Jahresanfang prognostiziert. Aber genau das macht es auf der anderen Seite spannend.

Die Baustelle in der oberen Hauptstraße in Burscheid wird wieder eingerichtet. Welche Bedeutung hat die Neugestaltung für die Innenstadt von Burscheid?

Caplan: Speziell dieser Teil ist von besonderer Bedeutung, und das in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist seinerzeit allein dieser Teil bei der Umgestaltung der Innenstadt nicht mit angegangen worden und hat daher auch nicht den Charakter von einer „Innenstadt“, wo man sich wohl fühlt. Zweitens ist die Sanierung alleine schon aufgrund der sehr schlechten Kanalsituation verpflichtend gewesen. Und drittens ist die Umgestaltung dort die Basis für die weiteren wichtigen Schritte zum Beispiel in der Montanusstraße. Die Maßnahmen dort können nämlich nur umgesetzt werden, wenn der Busverknüpfungspunkt Montanusstraße an einen anderen guten Ort verlegt ist. Und dies gelingt nur, wenn die Obere Hauptstraße Einbahnstraße ist und auf der Bürgermeister Schmidt Straße unter anderem der Platz der heutigen Linksabbiegespur als Aufstellfläche für die neu einzurichtenden Bushaltepunktegenutzt werden kann. Mit der vorgesehenen innerstädtischen Verkehrslösung (Einbahnstraße) kann somit der öffentliche Raum Obere Hauptstraße neu gestaltet werden und gleichzeitig an Aufenthaltsqualität gewinnen.

Für die dort ansässigen Einzelhändler ist die Baustelle eine echte Herausforderung. Was können und müssen die Einzelhändler tun, um diese schwierige Phase erfolgreich zu meistern?

Caplan: Sie haben völlig Recht. Das ist nicht einfach für die Einzelhändler in dieser Zeit. Die TWB und die Stadt haben daher im Rahmen der Ausschreibung vieles getan, um die Einzelhändler zu unterstützen wie zum Beispiel die Weihnachtspause. Ferner versuchen wir, mit einer sehr intensiven regelmäßigen Information Unsicherheiten zu nehmen. Ich bin daher froh, dass die meisten Einzelhändler das Thema positiv anpacken, in guter Kommunikation mit den Kunden sind, auch zum Beispiel über Ausweichparkplätze. Fernermacht sich dabei bemerkbar, wo grundsätzlich die Vorteile des Burscheider Einzelhandels liegen, nämlich bei gutem Service, starker Kundenbindung und Individualität. Es überwiegt die Freude, dass es danach deutlich attraktiver wird. Aber unzweifelhaft ist die Bauzeit dennoch eine Herausforderung.

Wie müssen sich die Einzelhändler in Hilgen und Burscheid aufstellen, um die Herausforderung des digitalen Zeitalters mit dem Onlinehandel zu meistern?

Caplan: Zunächst denke ich, dass die Unternehmer das am besten selbst wissen und die Stadt hier nicht Tipp-Geber sein sollte. Ich glaube, dass die Menschen gerade den persönlichen Kontakt mögen und die Servicequalität schätzen. Es gibt eine Tendenz, eine Kaufentscheidung nicht mehr ausschließlich vom Preis abhängig zu machen, sondern von Beratung,Service und Individualität. Dafür sind die Burscheider und Hilgener Einzelhändler mit ihren Kompetenzen die richtigenPartner.

Wie wichtig ist ein funktionierender Einzelhandel für die Stadt und wie gefährlich sind die bestehenden und drohenden Leerstände zum Beispiel in der Kirchenkurve?

Caplan: Ohne Zweifel ist ein funktionierender Einzelhandel sehr wichtig für eine Stadt. Aus diesem Grunde haben wir, die Politik und die Verwaltung ja in den vergangenen Jahren eine Reihe von Entscheidungen einstimmig getroffen, die auch vom Einzelhandel und der Wirtschafts- und Werbegemeinschaft Burscheid (WfB) unterstützt werden. Ich erinnere an den Ausschluss von Spielhallen, den Ausschluss von zentrenrelevantem Einzelhandel außerhalb der Zentren, verkaufsoffene Sonntage und vieles mehr. Wichtig ist auch da die wirklich gute Zusammenarbeit mit der WfB. Zum anderen zielt das jetzt sukzessive umzusetzende „Integrierte Entwicklungs- und Handlungskonzept (IEHK)“ ja genau in diese Richtung: Stärkung der beiden Zentren im Rahmen eines integrierten Ansatzes wie beim Handel, Wohnen, Aufenthaltsqualität, Tourismus, Kunst und Kultur. Bei den Leerständen handelt es sich überwiegend nicht um Entscheidungen auf der Basis fehlender Umsätze, sondern um individuelle Entscheidungen wie bei fehlendem Fachpersonal oder Nachfolgern. Die Nachfrage nach Ladenlokalen besteht allerdings. Die Schwierigkeit ist oft, die Flächenwünsche und das Flächenangebot zusammen zu bringen. Auch da gilt: Zusammen bekommen wir das hin. Hier kann ab 2019 auch das inzwischen geförderte „Leerstandsmanagement“ im Einzelfall helfen.

Was muss die Stadt tun, um für Bürger und Unternehmen attraktiv zu bleiben bzw. für neue Investoren und neue Bürger attraktiver zu werden?

Caplan: Zunächst einmal können wir uns über mangelnde Attraktivität nicht gerade beklagen. Bei den Wohnflächen und den Gewerbeflächen übersteigt die Nachfrage das Angebot. Auch das haben wir im Rahmen des IEHK systematisch aufgearbeitet. Die Attraktivität liegt aber auch in anderen Faktoren begründet, wie schulische Qualität, das Angebot von Kita- und Betreuungsplätzen, niedrige Grundsteuerhebesätze und die Breitbandversorgung. In all diesen Feldern haben wir uns in den letzten Jahren weiterentwickelt und stehen gut da. Zur Attraktivität gehört aber auch eine funktionierende Innenstadt, in die man gerne geht. Dabei werden ab 2019 auch zum Beispiel das inzwischen geförderte Fassadenprogramm und der sogenannte Verfügungsfond helfen.

Was tut Burscheid beim Wohnungsbau, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden?

Caplan: Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern in Burscheid ist hoch. Wir haben das im Rahmen des IEHK aufgearbeitet und festgestellt, dass wir – ausgehend von 2017 bis 2025 etwa 600 zusätzliche Wohneinheiten brauchen für unsere Bürger. Eine evidente Steigerung der Gesamteinwohnerzahl ist dabei nicht das Ziel. Natürlich ist das zunächst eine Aufgabe des Marktes, den wir aber nach Kräften dabei unterstützen. Aktuell sind wir auf dem genannten Weg gut unterwegs. Nach den uns vorliegenden Daten werden bis etwa 2020/2021 schon etwa 430 zusätzliche Wohneinheiten realisiert sein.

Wie wichtig ist eine funktionierende Infrastruktur für Burscheid und die Anbindung an die Rheinschiene?

Caplan: Zunächst einmal sind wir als Kommune abhängig von der Infrastruktur anderer Träger. Die Stadt selbst hat ja nur die innerörtlichen Straßen und die „Balkantrasse“ im Eigentum. Das Besondere in Burscheid ist, dass die gesamte restliche Straßeninfrastruktur, die die Stadt durchzieht, anderen gehört und somit auch dort entschieden wird. Dazu gehören die Bundsautobahn, die Bundesstraßen, die Landesstraßen, die Kreisstraßen und der ÖPNV. Das macht es oft schwierig. Unzweifelhaft ist gerade für Burscheid die Infrastruktur wichtig, besonders die, die zur Rheinschiene führt. Daher haben wir auch beschlossen, im Rahmen der „Regionale“ zusammen mit Wermelskirchen untersuchen zu lassen, welche perspektivische Infrastrukturlösung sich für eine bessere Anbindung an die Rheinschiene anbietet. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen erkennen, wie wichtig es gerade für den Nordkreis ist, in diesem Thema Zukunftsentscheidungen vorzubereiten und dieses Projekt zu fördern. Weitere wichtige Angebote in dem Zusammenhang sind die Mobilitätsstationen, die für den Raiffeisenplatz und die neuen Bushaltepunkte an der Bürgermeister-Schmidt-Straße geplant sind, mit P+R-Flächen für Pendler, Fahrradboxen und Pedelec-Verleihstationen, sowie ein weiterer Ausbau der Fahrradfreundlichkeit.

Welche Bedeutung hat hier die geplante Schnellbuslinie von Wipperfürth über Burscheid nach Leverkusen?

Caplan: Sie ist sehr wichtig. Denn wir brauchen – neben Radweg, Landesstraßen und Autobahn – auch kurzfristige Alternativen, um den steigenden Mobilitätsbedürfnissengerecht zu werden. Der Schnellbus ist daher sehr wichtig. Es ist bedauerlich, dass er jetzt noch nicht zum Herbst seinen Betrieb aufgenommen hat. Wir versuchen den Druck auf den Kreis in dieser Frage zu erhöhen. Positiv ist die gute Zusammenarbeit mit Leverkusen. Denn ohne Leverkusen wird der Schnellbus nicht „schnell“. Die Idee ist ja, die Anzahl der Haltepunkte auf dieser neuen zusätzlichen Linie zu reduzieren und durch Busspuren am Verkehr vorbeizuführen, da wo es nötig und möglich ist. Und da genau ist der Bereich zwischen Bergisch Neukirchen und Opladen wichtig. Hier danke ich Leverkusen ausdrücklich, die dieses Thema – auch im eigenen Interesse – vorangetrieben haben. Erst vor wenigen Tagen habe ich vom Kreis erfahren, dass es ab Sommer 2019 einen ersten Schritt auf dem Weg zu der geplanten Schnellbuslinie geben soll. Dabei soll sich die Fahrzeit von Hilgen bis zum Bahnhof in Leverkusen-Wiesdorfauf den vorhandenen Linien zunächst um 13 Minuten verkürzen. Das wäre ein Anfang. Ich bin gespannt!

Der Freizeit- und Kultursektor ist ein wichtiges Argument für eine attraktive Stadt. Wie ist Burscheid hier aufgestellt?

Caplan: Es gibt in Burscheid eine tolle Basis im Bereich Kultur und Freizeit. So haben wir zwei Top-Sportplatzanlagen in Hilgen und Burscheid und weitere Freizeitmöglichkeiten wie das Megafon, die Spielplätze, die Natur des Eifgentales, das Vital-Bad, den Panorama-Radweg Balkantrasse und zahlreiche attraktive Vereinsangebote. Und auch kulturell gibt es eine ungeheure Vielfalt und Qualität. Ziel des weiteren Prozesses wird es sein, diese tollen kulturellen Aktivitäten zu vernetzen im Sinne einer stärkeren - auch touristischen - Qualität und einer verstärkten Außenwahrnehmung. Dazu ist die grundsätzliche Richtung in unserem interkommunalen Konzept mit Wermelskirchen bereits beschlossen. Dies alles dient – nicht zuletzt – auch der Stärkung der Innenstadt und des Standortes.

Mit der neuen Tagespflege für Kinder der großen Unternehmen macht Burscheid einen wichtigen Schritt, um für Arbeitnehmer attraktiv zu bleiben. Wie ist der aktuelle Stand?

Caplan: Wir sind uns mit einigen Burscheider Unternehmen – die uns in dem von uns angestoßenen Prozess begleiten - einig, dass wir das gemeinsam angehen wollen. Das zuständige Kreisjugendamt ist auch mit im Boot. Derzeit werden verschiedene Örtlichkeiten im Detail geprüft, ob sie dafür in Betracht kommen.

Die Frage der Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern wird aktuell bundesweit intensiv diskutiert. Wie weit ist Burscheid bei dieser wichtigen Aufgabe für die Zukunft?

Caplan: Traditionell klappt die Integration hier in Burscheid sehr gut. Das liegt an einer Reihe von Faktoren. Zum einen leben hier sehr viele weltoffene Menschen, die haupt- und ehrenamtlich bei der Integration helfen und die kulturelle Vielfalt als Bereicherung empfinden. Unsere Aufgabe ist es, diese zu unterstützen und mit städtischen Kräften zu vernetzen. Zum anderen hat sich die Verwaltung und die Politik immer sehr viel Mühe gegeben zum Beispiel die Unterbringungsmöglichkeiten sehrdezentral zu realisieren. Der dritte Grund ist, dass es in Burscheid viele Möglichkeiten der Begegnung und der Hilfe gibt. Das macht das sperrige Wort „Integration“ zu etwas Persönlichem, zu etwas, wo es um Hilfe von Menschen für konkrete Menschen geht. Ich danke allen, die dafür sorgen, dass Burscheid in dieser Hinsicht ein positives Beispiel ist.

Wie wichtig sind Menschen, die von außen zu uns kommen für das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels. Wie müssen sich Burscheider Unternehmen aufstellen, um diese Herausforderung zu meistern?

Caplan: Ich glaube, dass es für das Problem des Fachkräftemangels nicht die eine entscheidende Antwort gibt. Eine Reihe von Faktoren können dabei helfen, das Problem zu mindern. Dazu gehören zum Beispiel die Nutzung der Ressourcen von Älteren, die Digitalisierung und schnellerer Wiedereinstieg von Frauen. Ein Ansatz ist aber auch, Menschen die zu uns kommen in die Arbeitsprozesse zu integrieren. Das klappt allerdings nicht immer mit den bisher bekannten Maßstäben. Das spiegeln mir die Unternehmen zurück. Hier sind ein langer Atem, starke Unterstützung und auch gelegentliche Rückschläge einzukalkulieren.

Was sind Ihre persönlichen Hoffnungen und Wünsche für das Jahr 2019?

Caplan: Ich hoffe, dass sich die Stadt so positiv weiterentwickelt, ohne ihren Charakter zu verlieren. Dass die Menschen so tatkräftig, unterstützend, gesprächsbereit untereinander und weltoffen bleiben und sich haupt- oder ehrenamtlich mit Herz für Burscheid weiter einsetzen. Und dass diese Stadt weiterhin so engagierte Mitarbeiter in der Verwaltung hat, die sich über das normale Maß hinaus einbringen und mit dem Erfolg der Stadt identifizieren.

Worauf freuen Sie sich im kommenden Jahr?

Caplan: Es gibt in Burscheid fast im Wochentakt etwas, worauf man sich freuen kann

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