Glosse Wie mein Postbote mich zu Grabe trug

BV-Redakteur Ekkehard Rüger über den Vermerk "verstorben" und mehrere Wochen mit leerem Briefkasten.

Glosse: Wie mein Postbote mich zu Grabe trug
Foto: Doro Siewert

Burscheid. Alles in allem lebe ich gerne. Und ich gehöre noch zu den altmodischen Menschen, die sich freuen, wenn sie Post im Briefkasten haben. Beide Freuden (am Leben und an der Post) sind mir innerhalb kürzester Zeit genommen worden. Weil es mich nicht mehr gibt. Ich bin verstorben.

Das hat mein Postbote offenbar schon vor Wochen entschieden. Mit mir hat er darüber nicht gesprochen. Das ist nicht fair, aber nicht mehr zu ändern. Wenn Sie mich jetzt fragen würden, woran man merkt, dass man tot ist, kann ich Ihnen heute sagen: Es fängt damit an, dass man keine Post mehr bekommt.

Das erste Mal hätte ich stutzig werden können, als mich der Vertrieb einer Zeitschrift anmailte, ob ich verzogen sei. Nein, nein, versicherte ich umgehend, alles beim Alten. Die Zeitschrift kam trotzdem nicht an. Vor ein paar Tagen rief dann noch einmal ein Mitarbeiter aus dem Vertrieb bei mir an. Sein erster Satz, nachdem ich mich gemeldet hatte: „Oh, Sie leben also doch.“

Gestern wurde mein neuer Personalausweis im Rathaus dann quasi einer Leiche ausgehändigt. Glaubt jedenfalls die Bundesdruckerei in Berlin. Sie hat ja den an mich adressierten Brief mit meiner persönlichen PIN und dem PUK-Code wieder zurückerhalten. Verstorben halt. Ein neuerliches Zusenden ist nicht möglich. Ich müsste noch mal einen Ausweis beantragen, um das Dokument über ein Lesegerät ungehindert auch im Internet nutzen zu können.

Aber das ist ja nur konsequent: In einer digitalen Gesellschaft ist derjenige, der nicht im Netz auftaucht, ohnehin praktisch tot. Mein Postbote hat das nur schon früher gewusst. Immerhin: Im Rathaus war man so nett, mir anzubieten, meinen Ausweis für das Netz im Bedarfsfall stattdessen über das Bürgerbüro freischalten zu lassen. So etwas nennt man dann wohl Auferstehung. Vielleicht komme ich Ostern darauf zurück.

Wenn ich dann noch was im Portemonnaie habe. Meine Gehaltsabrechnung ist nämlich mittlerweile auch wieder bei der Lohnbuchhaltung meines Verlages gelandet. Zumindest für diesen Monat haben sie mir das Geld trotzdem noch überwiesen. Das ist anständig nach all den Jahren. Zumal der BV ja wie von Geisterhand auch in dieser Woche weiter erschienen ist. Man hat da, wie ich inzwischen weiß, auch aus dem Jenseits noch gewisse Möglichkeiten.

Warum mich mein Postbote mit seinem tödlichen Vermerk dorthin befördert hat, kann ich nur vermuten. Ab und zu erhält meine Frau im Pfarrhaus noch Briefe für ihren Vorgänger. Die hat sie dann mit einem entsprechenden Hinweis wieder an den Briefkasten geheftet. Vielleicht hat sich der Postbote gedacht, ehe er wieder was falsch macht, geht er lieber auf Nummer sicher und behält noch ein paar Briefe mehr zurück. Die muss er schließlich auch nicht tragen.

Vor einiger Zeit bin ich irgendwo in Straßerhof geblitzt worden. Das Knöllchen der Kreisverwaltung habe ich bisher noch nicht bekommen. Ehrlich gesagt fände ich es in diesem speziellen Fall ganz okay, wenn man in Bergisch Gladbach noch eine Zeit lang davon ausginge, mich in Fragen der Tempoüberschreitung grundsätzlich als Karteileiche führen zu können. Blöd nur, wenn ich berufsbedingt demnächst bei einem Pressetermin wieder dem Landrat über den Weg laufe. „Ach übrigens, Herr Rüger, da ist merkwürdigerweise ein Brief an Sie wieder zu uns zurückgekommen.“ Dann werde ich mich mit Sicherheit vor Ärger im Grab herumdrehen.

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