Von Pakistan nach Burscheid: Wahab Perviz -„Mir sind Brücken gebaut worden“

Als Vierjähriger bei den Kleinen Strolchen konnte Wahab Perviz kein Wort Deutsch und weinte viel. Heute ist er ein ehrgeiziger Student mit Stipendium.

Burscheid. Als Wahab Perviz vor zwei Wochen an der Tür der Kleinen Strolche in Hilgen klingelte, stutzte Einrichtungsleiterin Ulrike Kreffter. Während der junge Student das soziale Projekt erklären wollte, wegen dem er gekommen war, unterbrach sie ihn: „Wir kennen uns. Du bist der Wahab.“ Ihr Gegenüber war baff: „Ein Gesicht kann man ja behalten, aber dass sie auch noch den Namen wusste . . .“ Schließlich hatte der 19-Jährige die Leiterin der Kindertagesstätte seit 13 Jahren nicht mehr gesehen.

Kreffters Erinnerung an seine Kindergartenzeit: „Als Wahab mit vier Jahren zu uns kam, konnte er weder ein Wort Deutsch sprechen noch verstehen, hat dafür furchtbar geweint und mir immer am Bein gehangen.“ Heute steht ihr ein ehrgeiziger Student der Cologne Business School gegenüber, mit einem Abischnitt von 1,6 in der Tasche, sieben Sprachen in petto und ausgestattet mit einem Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung. „Mir sind große Brücken gebaut worden“, sagt er.

Von Pakistan nach Burscheid: Wahab Perviz -„Mir sind Brücken gebaut worden“
Foto: Kleine Strolche

1995 wird Wahab in Lahore geboren, der zweitgrößten Stadt Pakistans. Zwei Jahre später kommt er nach Burscheid. Obwohl sein Vater schon seit vielen Jahren in Deutschland gearbeitet hat, unter anderem bei Goetze, und inzwischen eine Großhandelsfirma für Damenmoden in Neuss betreibt, wird zu Hause nur Urdu gesprochen, die Nationalsprache Pakistans.

Nach der Kindergartenzeit kehrt Wahab für zwei Jahre nach Pakistan zurück und geht dort zur Schule. Erst mit der dritten Klasse steigt er in der Ernst-Moritz-Arndt-Schule in Hilgen ein. Wieder kann er kein Deutsch, die Noten sind eher schlecht, am Ende der Klasse vier erhält er immerhin eine Empfehlung für die Realschule.

Dass er es überhaupt dahin geschafft hat, verdankt er dem Engagement seiner Witzheldener Nachhilfelehrerin Monika Porten. Sie begleitet ihn und seine drei Brüder ab der Grundschule durch die Schulzeit. „Sie war einfach die Beste.“

Und auch Wahabs Klassenlehrerin Jutta Wagner glaubt an ihn. In einem persönlichen Gespräch mit Heinz Klaus Strick, dem damaligen Rektor des Landrat-Lucas-Gymnasiums in Opladen, verwendet sie sich wegen des bilingualen Zweigs für die Aufnahme ihres Schülers. Die Schule willigt ein. „Ich weiß noch genau, wie mich am ersten Tag alle angeguckt haben, ob das denn wohl die richtige Entscheidung war. Denn eigentlich war meine Klasse schon überfüllt“, erinnert sich der Student zurück.

Doch ab dann geht es aufwärts. Schon sein erstes Halbjahrszeugnis ist das beste in der Klasse. In Biologie, Erdkunde, Geschichte und Politik wird er in der Folge im ve´rtrauten Englisch unterrichtet. Als er in der Einführungsphase der Stufe 10 einen Schnitt von 1,2 erreicht, freuen sich alle über den Erfolg eines Schülers, der am Anfang kein Deutsch konnte.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Wahab spricht fließend Deutsch, hat das Cambridge Certificate in Advanced English in der Tasche, das zum Studieren an britischen Hochschulen befähigt, und daneben das vom Land verliehene Exzellenzlabel CertiLingua für seine Englisch- und Französischkenntnisse. Neben Urdu und Hindi (der Sprache Indiens) hat er auch Kenntnisse in Spanisch und Chinesisch.

Für Wahabs einstige Kindergartenleiterin ist sein Lebensweg Beweis dafür, „wie wichtig Bildung ist“, für ihn selbst ein Beispiel, was mit Unterstützung und Zutrauen möglich ist. „Ohne den Wechsel auf das Gymnasium wäre das ein ganz anderer Weg geworden.“ Zu seiner Zielstrebigkeit habe ihn auch seine Mutter motiviert: „Sie konnte in Pakistan nie die Ausbildung machen, die sie wollte. Darum ist ihr wichtig, dass ihre Kinder studieren können.“

Zu den Spuren seiner eigenen Kindheit ist der 19-Jährige für eine gute Sache zurückkehrt. Über die Studentenaktion „Work for Good“ wird seit Jahren das Kölner Hilfsprojekt „Wünsch dir was“ unterstützt, das schwerkranken Kindern besondere Wünsche erfüllt. Die Studenten arbeiten jeweils einen Tag in einem Unternehmen und spenden ihren Lohn für das Projekt.

Um auf ihre Aktion aufmerksam zu machen, hatten die Studenten auf Facebook eine Art Adventskalender eingerichtet: jeden Tag eine gute Tat. Für das 13. Türchen kam Wahab mit einer Buchspende zum Vorlesen zurück in die Kleinen Strolche. Er weiß schließlich, wie wichtig Sprache ist.

facebook.com/CBSWorkforGood

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