Viel Schnaps für die Brückenbauer

Der frühere Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Werner Schäfke, blickt auf den Wiederaufbau der Stadt am Rhein zurück.

Viel Schnaps für die Brückenbauer
Foto: Stephan Eppinger

Köln. Die Jahrzehnte seit 1945 haben unsere Gegenwart geformt. Es gab 1945 keine „Stunde Null“, in der alles neu war. Alles aber wurde 1945 auf den Prüfstand gestellt: Die Menschen, die Stadt und ihre Straßen und Bauten, selbst die Lage der Stadt, die Kultur, die Wirtschaft und der Handel. Im Neustart der ersten Nachkriegszeit wurden die wichtigsten Weichen für die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte gestellt.

Viel Schnaps für die Brückenbauer
Foto: Archiv des Autors

Die Fahrt ins Heute, für die damals die Weichen gestellt wurden, lief selten glatt und störungsfrei. Da alle im langsamen Wandel der vergangenen Jahrzehnte gelebt haben, ist manches fast unbemerkt geschehen. Anderes hat sich tief in das Gedächtnis der Menschen eingeprägt.

Auf über 550 Seiten mit annähernd 100 Plänen und Abbildungen führt der langjährige Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, Werner Schäfke, den Leser auf eine Zeitreise: der Wiederaufbau und die neue Gestalt der Stadt, das neue politische Leben in der Stadt, die Entwicklung der Wirtschaft und des Verkehrs, der Wandel der Stadtgesellschaft und die Entwicklung des kulturellen Lebens. Das war kein gradliniger Weg. Wünsche, Ziele, Pläne und Hoffnungen wurden immer wieder in neuer Gestalt erdacht, diskutiert, verwirklicht oder vergessen.

Werner Schäfke, Autor

Mit seiner Gegenwartsgeschichte verbindet der Autor große Ambitionen für seine Stadt und für seine Historikerkollegen: „Ich hätte dieses Buch gerne gelesen, bevor ich Direktor des Stadtmuseums geworden bin. Ich hätte vieles anders und besser gemacht, weil ich ein besseres Bild auf die Stadt gehabt hätte“, sagt Schäfke selbstkritisch. 1996 hat er damit begonnen, das Material für sein Buch zu sammeln, geschrieben hat er daran, seit dem er 2009 in den Ruhestand ging. Zeitungen waren für ihn gerade bei der jüngeren Geschichte Kölns eine wichtige Quelle.

40 Aktenordner mit Zeitungsausschnitten hat er im Laufe der Jahre zusammen getragen. Dazu kamen unter anderem Ratsprotokolle sowie biografisches und autobiografisches Material. Auch mit Zeitzeugen hat Schäfke immer wieder gesprochen, auch wenn deren Aussagen nicht direkt in das umfangreiche Werk eingeflossen sind.

Es sind Entscheidungen der unmittelbaren Nachkriegszeit und die Gründung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit der Landeshauptstadt Düsseldorf, die das Schicksal Kölns bis heute bestimmen. So war es für die Stadt von zentraler Bedeutung, dass der WDR in Köln blieb und nicht nach Düsseldorf gezogen ist. „Der Sender prägt bis heute die Kultur- und Kunststadt Köln und zieht Künstler an“, sagt Schäfke. Bei der Messe und dem Flughafen waren es die Engländer nach dem Krieg, die für neue Verhältnisse im Land gesorgt haben. „Früher hatte Köln den größten Flughafen und die größte Messe, heute hat hier Düsseldorf klar die Nase vorne. Die Entscheidungen fielen während der Zeit unmittelbar nach dem Krieg.“

Es gibt auch wunderbar kuriose Geschichten aus dieser Zeit. So sollte Köln mit dem Wiederaufbau der zerstörten Hohenzollernbrücke die erste Verbindung über den Rhein zurückerhalten. Um dies zu beschleunigen, bekamen die Arbeiter 1200 Flaschen Schnaps und reichlich Butter — beides wurde über den florierenden Schwarzmarkt Kölns organisiert.

Interessant ist auch, dass es beim Zu- und Rückzug nach Köln bis in die 60er Jahre Restriktionen gab, weil die Stadt nicht den ausreichenden Wohnraum bieten konnte. Eine Besonderheit gibt es auch beim Kölner Rat, bei dem die Sitze der Mitglieder nicht wie bei anderen Parlament rund, sondern gerade nebeneinander angeordnet sind. „Das beruht auf der kölnischen Koalition, einer besonderen Art der Zusammenarbeit und der politischen Kultur in den 50ern“, erläutert Schäfke.

Sein Ziel war es, eine vollständige Geschichte Kölns in der Zeit nach dem Krieg bis heute zu verfassen. „Ich wollte dabei möglichst weit in die Tiefe vorstoßen“, erklärt Werner Schäfke den großen Aufwand für sein Buch, das die Zeit von 1945 bis zum März dieses Jahres beinhaltet. Eine Fortsetzung ist nicht vorgesehen.

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