Serenadenkonzert: Die verwandelte Traumvorlage

Der OVH zeigt sich in der Kirchenkurve für seine Tournee durch die Toskana gut gerüstet.

Burscheid. Geht das überhaupt: nach dem heisernen Röhren aus biergetränkten Kehlen wieder abkühlen auf die gediegenere Temperatur der E-Musik? Aber was heißt hier schon E-Musik? Der Orchesterverein Hilgen (OVH) bietet doch beste Unterhaltung, wenn er sich in der Kirchenkurve dem prallen Leben stellt. Und bei seinem siebten Anlauf an diesem wunderbaren Konzertort musste er am Samstag eigentlich nur noch die Traumvorlage verwandeln, die ihm der Fußball geliefert hatte. Es ist ihm gelungen.

"Gegen diesen OVH ist jede Elf chancenlos", hatte Bürgermeister Stefan Caplan schon bei der Begrüßung mit einer BV-Schlagzeile der vergangenen Woche gespielt. Und mit sicherem Gespür für die Auftaktpointe war ihm der OVH-Vorsitzende Martin Mudlaff mit dem Seufzer gefolgt: "War das ein Drama heute Nachmittag!" - um nach einer Kunstpause fortzufahren: "Ständig der Blick, ob das Wetter hält." Am Ende hat auch das mitgespielt.

Ein deutscher, drei italienische und ein russischer Komponist für eine italienische Nacht - die bevorstehende Toskana-Tournee des Blasorchesters wirft ihre Schatten voraus. Dass Wagners Ouvertüre zu den Meistersingern das Programm eröffnet, ist dabei vermutlich dem Wunsch geschuldet, sich in Italien nicht nur vor den Gastgebern zu verbeugen, sondern auch einen musikalischen Gruß aus der Heimat mitzubringen. Wagners Wucht halten Dirigent Johannes Stert und Orchester dabei unpathetisch im Zaum, vielleicht unterstützt dadurch, dass im Gegensatz zum Vorjahr wieder ohne Lautsprecher gespielt wird.

Aber dann gleich hinein ins italienische Herz: Die Suite "Fontane di Roma" von Ottorino Respighi erfrischt, bewegt und berührt uns mit einem Besuch an vier Brunnen Roms zu verschiedenen Tageszeiten. Und spätestens nach Puccinis "Preludio Sinfonico" wissen wir wieder, warum die Italiener, die uns fußballerisch so oft anöden, es verstehen, mit ihrem Land, ihrer Leidenschaft, ihrem Wein und eben auch ihrer Musik unsere Sehnsucht zu wecken.

Damit das Ganze aber nicht in gondelige Gefühlsduselei abgleitet, hat der OVH noch klug den großartigen Filmkomponisten Nino Rota mit seinem Lied der Straße (La Strada) als Kronzeugen für ein anderes Gesicht Italiens benannt: Hier zeigt es sich lebensprall, nonchalant, frech, gewitzt, theatralisch.

Ob Tschaikowskys komplexes "Capriccio Italien" wirklich zum furiosen Finale taugt, mag man diskutieren. In Burscheid jedenfalls folgen ihm Bravo-Rufe und begeisterter Applaus, sicher auch für die Kunstfertigkeit, mit der die Musiker parallel zum Spiel ihre Notenblätter im Wind bändigten.

Und als in der Zugabe drei Hornisten beim Florentiner Marsch mit schwarz-rot-goldenen Vuvuzelas für die Schlusspointe sorgen, schließt sich der Bogen eines großartigen Tages, der einen nur deshalb leicht melancholisch zurücklässt, weil man weiß, dass einem so viel Schönes auf einmal nur selten begegnet.

Der OVH steht jetzt vor einer heiklen Mission: als Orchester aus dem Land des kommenden Weltmeisters unterwegs im Land des ehemaligen Weltmeisters. Aber er zeigt sich dafür gut gerüstet. Die Herzen der gefühlvollen Italiener wird er schon gewinnen.

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