Schmerzliche Erkenntnisse

Wer sich nicht in Zynismus und Menschenverachtung verlieren will, ist auf Beispiele der Anständigkeit angewiesen. Immer wieder suchen wir nach Vorbildern, die der Barbarei getrotzt haben — durch offenen Widerstand oder ihr Wirken im Verborgenen.

Umso schmerzhafter ist es, wenn diese Vorbilder an Glanz verlieren.

Carl Lauterbach war eines dieser Vorbilder — und ist es sicherlich noch immer für viele. Und diese Anerkennung basierte zu einem Großteil „auf seiner Zeitzeugenschaft und aktiven antinationalsozialistischen Haltung“, wie der intime Lauterbach-Kenner Werner Alberg sagt.

Nicht als mutiger Widerstandskämpfer wurde Lauterbach verehrt, aber als ein still Leidender und Verzweifelter, der sich nur zum Schein anpasste, doch in Wahrheit schon immer künstlerisch und nach Kriegsende dann auch mit Worten eindeutig Position bezog. Vielleicht hat er das selbst auch so geglaubt.

Aber der Grad der Anpassung ging offenbar über das Maß des Durchlavierens deutlich hinaus. 40 Ausstellungen in zehn Jahren erzählen eine andere Geschichte als die des an den Rand gedrängten Künstlers. Man wird sich hüten müssen, darüber eilfertig den Stab zu brechen. Die Frage des Bleibens oder Gehens, der Anpassung oder des Widerstands ist nicht nur bei der Beurteilung von Künstlern der NS-Zeit für uns Nachgeborene ein schwieriges Feld.

Nicht dass er so gehandelt und gelebt hat, wie er es tat, kratzt also am Vorbild Lauterbachs, sondern die Art und Weise, wie er dieses Leben uns und wahrscheinlich auch sich selbst schöngeredet hat nach dem Kriegsende. Das mag menschlich nachvollziehbar sein, redlich war es nicht.

Und so gerne wir glauben wollen, dass Lauterbach einer jener verborgenen Helden der Menschlichkeit war, so unausweichlich ist es, im Lichte der neuen Erkenntnisse auch die Risse des Denkmals wahrzunehmen.

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