Orchesterverein Hilgen: Dirigent beklagt fehlende Unterstützung

Johannes Stert spricht im Interview über das Leistungsniveau des OVH, den Standort Burscheid und die Zerreißprobe zwischen musikalischen Wünschen und Geldmangel.

Burscheid. Herr Stert, die Erfolgsmeldungen zum Orchesterverein Hilgen reißen nicht ab: 2012 Platz zwei beim Deutschen Orchesterwettbewerb in Hildesheim, in diesem Jahr Platz zwei beim internationalen Wettbewerb in Luxemburg. Wie schätzen Sie den OVH aktuell ein?

Johannes Stert: Ich habe im Anschluss die Aufnahmen von Luxemburg gehört und war selbst überrascht, wie das klingt. Das Niveau haben in der internationalen Jury auch andere mitbekommen wie der in der Szene federführende Dirigent Jan Kober. Burscheid hat mit dem OVH ein Spitzenensemble, das sich in den vergangenen Jahren noch in die richtige Richtung weiterentwickelt hat. Die Diskrepanz ist, dass der Verein in diese Leistungssphäre vorstößt, aber die finanziellen Möglichkeiten fehlen, um dieser Leistung auch Tribut zu zollen.

Was meinen Sie damit?

Stert: Das jüngste Beispiel: Ich habe dem OVH-Vorsitzenden Martin Mudlaff gesagt, lasst uns im nächsten Jahr eine CD machen. Und als Antwort kommt die Frage: Mit welchem Geld?

Vermissen Sie mehr Rückhalt aus Burscheid?

Stert: Es wäre viel zu platt zu sagen, die Stadt könnte uns mehr unterstützen und weiß gar nicht, was sie an uns hat. Mir ist auch, obwohl ich nicht in Burscheid wohne, aufgefallen, dass sich Bürgermeister Stefan Caplan sehr für den OVH einsetzt. Und ich finde es eine schöne Geste, wenn er bei unserem Vorbereitungskonzert in Luxemburg mit im Publikum sitzt. Trotzdem wünsche ich mir, dass sich der gesamte Stadtrat verstärkt für die Belange des OVH einsetzt und sich um finanzielle Mittel bemüht. Burscheid bezeichnet sich doch gerne als Musikstadt. Und daran hat der OVH einen großen Anteil.

Gibt es denn anderswo mehr Geld?

Stert: Ich leite auch das Universitätsorchester der Uni Düsseldorf, in dem Studenten mitspielen, die aber nicht Musik studieren. Dort gibt es einen jährlichen Etat, wir können eine Tournee durch Portugal machen und in der Casa da Música in Porto auftreten. Und das Uni-Orchester spielt demnächst auch in der Düsseldorfer Tonhalle. Ich gönne das den Studenten, aber da würde der OVH auch hingehören und mich schmerzt die Frage, warum er diese Möglichkeiten nicht hat.

Steht der Standort Burscheid zur Diskussion, wo doch ohnehin viele Musiker von außerhalb kommen?

Stert: Nein, das ist keine ernsthafte Diskussion. Durch die Gründung der Orchesterschule hat sich der Verein ja gerade noch einmal ausdrücklich zu Burscheid bekannt. Und wenn man sieht, dass daraus mittlerweile schon zwei Jugendorchester mit zusammen fast 60 Musikern erwachsen sind, ist das einfach unglaublich, was da zustande gekommen ist. Aber mir persönlich gehen diese Planspiele immer wieder durch den Kopf. Schon Opladen oder Langenfeld wären besser, weil Burscheid mit dem ÖPNV nur sehr mühsam zu erreichen ist. Es gibt keine adäquate Auftrittsmöglichkeit, weil das Haus der Kunst zu klein ist und andere Orte wie Federal-Mogul oder die Max-Siebold-Halle mit einem unverhältnismäßigen Aufwand des Umbaus verbunden sind. Die Hauptschulaula ist als Probenraum gut und es ist schön, dass wir sie nutzen dürfen. Aber in den Übergangszeiten und im Winter ist es dort zu kalt. Die Instrumente sind sehr eng gelagert und wir haben keine Möglichkeiten, das große Notenarchiv, das der Traditionsverein mittlerweile hat, vernünftig unterzubringen. Von einer einmaligen Finanzspritze wie dem Konjunkturpaket II hat der OVH im Gegensatz zu den Sportvereinen nirgendwo baulich profitiert.

Welche Form der Unterstützung schwebt Ihnen vor?

Stert: Ich bin kein Politiker und Wirtschaftsexperte, sondern beurteile das nur aus der Sicht des musikalischen Leiters. Aus dieser Sicht bräuchte das Orchester eigentlich jährlich 20 000 Euro. Der OVH finanziert sich derzeit nur aus den Mitgliederbeiträgen und Einzelspenden. Meine Wunschvorstellung ist, das Orchester weiter zu festigen und für die Zukunft zu sichern, damit es sich wirklich etablieren kann. Aber ich habe die Angst, dass das nicht der Fall sein wird. Am liebsten würde ich hier in Burscheid ein richtiges Zentrum für sinfonische Blasmusik aufbauen. Ich kümmere mich verstärkt um Blasorchester, komponiere für sie und bin wahnsinnig motiviert, weitere Hebel in Gang zu setzen. Doch dann schlägt mir wieder die Situation entgegen, dass eigentlich gar nichts möglich ist. Das ist das, was mich traurig macht und wo ich an den Punkt gerate, dass ich nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Das Orchester will weiter, aber die Mittel fehlen.

Verbinden Sie mit der Wirtschaft mehr Hoffnung?

Stert: Ich weiß nicht, ob es eine Firma geben könnte, die sagt, wir wollen das Orchester dauerhaft unterstützen und investieren einen jährlichen Betrag. Dann müsste es dort erst einmal jemanden geben, der den OVH toll findet. Natürlich könnte das Orchester im Gegenzug auch etwas für die Firma tun.

Das heutige Serenadenkonzert in Burscheid ist eine Art Zwischenstopp auf dem Weg zur Teilnahme an den Innsbrucker Promenadenkonzerten. Wie ordnen Sie den Auftritt dort ein?

Stert: Die Promenadenkonzerte sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Szene. Dort hat man auch das große Glück, mit der kaiserlichen Hofburg über einen tollen Konzertort zu verfügen. Geboten wird die ganze Vielfalt der Blasmusik von der Unterhaltungs- und Marschmusik über Brass-Bands bis zu klassischen Orchestern. Jetzt brauchen wir nur noch wie heute auch gutes Wetter, damit das Publikum nicht im Regen steht. Wir selber spielen in Innsbruck unter einer Überdachung.

Also wenigstens ein Lichtblick.

Stert: Ja, auf Innsbruck kann man sich eigentlich nur freuen.

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