Kultur Neue Oper macht Vergesslichkeit und Demenz im Alter zum Thema

Köln · Es hat lange gedauert, bis die Kinderoper an ihrer angestammten Wirkungsstätte im Saal 3 des Staatenhauses ihren jungen und älteren Fans wieder eine neue Produktion anbieten kann. Am 20. November ist es so weit, dann feiert „Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“ in Deutz Premiere.

 Ausstatter Jens Kilian, Regisseurin Brigitta Gillessen und der musikalische Leiter Rainer Mühlbach (v.l.)  in der Kinderoper.

Ausstatter Jens Kilian, Regisseurin Brigitta Gillessen und der musikalische Leiter Rainer Mühlbach (v.l.)  in der Kinderoper.

Foto: step/Eppinger

„Während des Lockdowns haben wir mit Streamingangeboten gearbeitet. Gerade ‚Pünktchen und Anton‘ wurde von Schulen und Familien toll angenommen. Wir hätten es vorher nicht erwartet, dass in Zeiten von Netflix und Disney Channel eine anspruchsvolle Opernproduktion im Internet so erfolgreich ist. Auch die Workshops dazu waren gut gebucht, da kam dann die Oper während des Homeschoolings mitten in die Kinderzimmer.. Das Ganze hat die Vorfreude auf das Liveerlebnis vor Ort im Staatenhaus gesteigert. Daher freuen wir uns jetzt umso mehr, in der Kinderoper wieder eine Premiere feiern zu können“, sagt die Leiterin der Kölner Kinderoper Brigitta Gillessen, die das neue Stück in Szene gesetzt hat.

„Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor“ basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Martin Baltscheit, der auch das Libretto zur Oper verfasst hat. „Es gab schon einmal eine Oper zum Bilderbuch. Die Produktion war aber wohl nicht besonders erfolgreich und so ist sie uns auch unbekannt. Für unsere Produktion konnten wir den Komponisten Johannes Wulff-Woesten gewinnen, der eine neue Musik geschaffen hat, während die eigentliche Handlung sich nicht verändert hat“, erklärt der musikalische Leiter Rainer Mühlbach.

Der Alte Fuchs wird von den
Jungen umsorgt und geschützt 

Die Geschichte selbst handelt von einem alten Fuchs, der sich seine Welt als kluger Überlebenskünstler erschlossen hat. Die „Fuchsinformationen“, die er dem Nachwuchs lehrt, sind denkbar einfach: „Ein satter Bauch, ein weiches Fell, die Winter lang, der Tod kommt schnell, die Nacht dein Freund, der Wald zum Schutz, der Mensch dein Feind.“ So wurde der Fuchs zum erfolgreichen und listigen Jäger, der auch der gefährlichen Hundemeute des Bauernhofs immer wieder entkommen kann. Die jungen Füchse begeistert das. Doch Meister wird älter und vergisst immer mehr, wie sein Leben funktioniert. Das bringt ihn in Gefahr, doch die jungen Füchse lassen den Alten nicht im Stich und geben ihm viel Wärme und Schutz.

„In der Oper geht es um das Älterwerden und das Problem, dass man sich deshalb nicht mehr normal in der Gesellschaft bewegen kann. Thematisiert wird auch die Spannung zwischen den Generationen und es geht um Demenz als Krankheit. Am Ende ist es die Familie, die den alten Fuchs auffängt und die dafür sorgt, dass ihm seine Vergesslichkeit nicht zum Verhängnis wird“, sagt Mühlbach. Aufgearbeitet wird das in der Oper so einfühlsam wie auch humorvoll.

Dabei war es der Buchautor selbst, der gerade die Grundlage für die Bühne gelegt hat: „Das Bilderbuch verfügte über wenig Text. Bei seinem Libretto hat sich Martin Baltscheit selbst übertroffen. Es sind liedhafte Texte in gereimter Form entstanden, die über viel Wortwitz und Ironie verfügen“, erläutert Gillessen. Dieser Humor spiegelt sich auch in der Musik wider: „Der Komponist ist ein sehr humorvoller Mensch. Seine Musik enthält immer wieder Zitate wie zum Beispiel von ‚Peter und der Wolf‘ oder den Comedian Harmonists mit ‚Ich wollt‘ ich wär ein Huhn‘. Der ‚Boléro‘ taucht genau auf wie Stücke bekannter Jazzensembles“, sagt Mühlbach.

Für die Ausstattung der neuen Oper ist Jens Kilian verantwortlich: „Die Handlung haben wir auf einem Bauernhof angesiedelt, wo viele Haustiere wie Gänse, Hühner, Hasen, Ziegen, Hunde und Lämmer leben. Dazu kommen die Füchse, die als Wildtiere in diese Welt einbrechen. Für all diese Tiere haben wir Kostüme geschneidert. Die Herausforderung war dabei, die tierischen Attribute mit den menschlichen Eigenschaften zu verbinden. Außerdem sind die drei Kinder aus der Kölner Dommusik, die auf der Bühne stehen, dreifach besetzt. Entsprechend viele Kostüme brauchen wir auch. Bei den Anproben hatten die Kinder reichlich Spaß und auch mir hat die Möglichkeit, aus dem Vollen schöpfen zu können, viel Spaß gemacht. Wie das Ganze ankommt, werden die Kinder im Publikum zeigen. Ein ehrlicheres Publikum gibt es nicht.“

In die Tierrollen schlüpfen neben den drei Kindern der Dommusik die Mitglieder des Internationalen Opernstudios der Kölner Oper, die gerade noch intensiv proben. „Ich bin sehr gespannt, wie die Musik mit dem ganzen Orchester klingt, bislang konnten wir diese nur am Klavier hören“, sagt Kilian. Regisseurin Brigitta Gillessen ist froh, wieder unter normalen Bedingungen arbeiten zu können. „Anderthalb Jahre waren die Regeln sehr streng. Da musste zum Beispiel auf der Bühne immer der Mindestabstand von drei Metern einhalten werden. Das wäre jetzt ganz unmöglich. Es ist schön, dank der umfangreichen Testungen wieder die Natürlichkeit und Spielfreude bei den Proben erleben zu können.“

Actionreiche Szenen auf der Bühne zu einem ernsten Thema

Entsprechend quirlig geht es auch auf der Bühne zu: „Die Oper behandelt mit der Krankheit Demenz ein ernstes Thema, dem wir uns auch schon seit langem in der Oper mit vielen Projekten gewidmet haben. Bei der neuen Produktion wird aber auch ein Stück Komödie in Szene gesetzt. Die Musik ist sehr verspielt und auf der Bühne gibt es actionreiche, lebendige Szenen. Das Zentrum bleibt aber der ernste Kern um die Themen Vergesslichkeit und Demenz. Am Ende entsteht das Bild, dass die junge Generation die alte trägt und für sie da ist.“

Insgesamt übernehmen die neun Darsteller 14 bis 15 Rollen. Die Nähe der Tiere zum Menschen ist schon aus den Fabeln bekannt. „Es geht darum, welche menschlichen Attribute für menschliche Eigenschaften stehen. Der Fuchs ist ein mutiges und trickreiches Raubtier. Die Hühner haben wir eher naiv angelegt. Dagegen ist die Hundemeute eine Bedrohung für ihre Umgebung. Das Schaf ist eher lethargisch, während das Geißlein zum Opernstar wird. Der Hase gleicht dem großen Pavarotti. Er ist aber sehr eitel und selbstverliebt, was der Fuchs gerne ausnutzt“, berichtet die Regisseurin.

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