Kultur Linie lernen: Die Kunst zu zeichnen

Köln · Zeichenkompetenz zählte bereits im 18. Jahrhundert zum bürgerlichen Bildungskanon. Das wurde in den Museen ganz praktisch umgesetzt. So gab es bei der Eröffnung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums im frühen 19. Jahrhundert bereits eine Zeichenschule.

 Einblick in die neue Grafikschau des Wallraf.

Einblick in die neue Grafikschau des Wallraf.

Foto: step/Eppinger

Der erste Leiter des Hauses, Matthias Joseph De Noël, war nicht nur Experte für Kunst, sondern auch selbst Künstler. Anderen Menschen das Zeichnen beizubringen, war für ihn damals ganz selbstverständlich. So gab es abends regelmäßig kostenlosen Zeichenunterricht.

Während sein Nachfolger Johann Anton Ramboux nicht im Museum selbst, sondern am Jesuitengymnasium das Zeichnen unterrichtete, kehrte die Schule unter Johannes Niessen wieder zurück ins Wallraf. Zeichnungen von ihm und ein Skizzenbuch seines Vorgängers aus Paris sind Teil der neuen Grafikschau, die unter dem Titel „Linie lernen: Die Kunst zu zeichnen“ noch bis zum 13. Februar auf der zweiten Etage des Hauses zu sehen ist.

Gezeigt werden dort auch Kunstwerke, die das Lernen des Zeichnens selbst zum Thema haben und die auf die Anfänge der Zeichenschulen im 16. Jahrhundert blicken. Das gilt zum Beispiel für die Kupferstiche von Agostino dei Musi oder von Enea Vico, die einen Einblick in die Akademie des Baccio Bandinelli in Rom gewähren. Zu sehen sind dort auch Schüler, die nicht mehr nach konkreten Vorlagen, sondern nach der eigenen Vorstellung ihre Zeichnungen anfertigen. Auch das antike Thema des Schattens wird hier als Motiv genutzt. Ein anderer Kupferstich, macht deutlich, dass das Zeichnen als Basis aller Künste wahrgenommen wird und dass die Malerei, die Bildhauerei und die Architektur darauf aufbauen.

Zu sehen sind in der Schau auch Lehrkompendien wie die Proportionenlehre von Albrecht Dürer. Er strebt nach Schönheit durch Harmonie und die richtigen Proportionen. Dabei werden auch genaue Vermessungsverfahren eingesetzt. Gezeigt wird auch ein Zeichenbuch von Dürers Schüler Erhard Schön aus den 1920er Jahren. Darin soll Schön der Bitte eines Lehrjungen nachgekommen sein, Dürers Lehre verständlich wiederzugeben. Schöns Fibel leitet zunächst zum Zeichnen von Köpfen in den unterschiedlichsten Haltungen an und geht dann zum Zeichnen von Ganzkörperfiguren über, die von der starren Einzelfigur bis zu bewegten Figurengruppen reichen.

Zu entdecken ist in der Ausstellung zudem, wie klassische Motive abgezeichnet worden sind. Dazu kommen auch immer wieder die Motive der Antike wie beim Kopf des Apoll von Wilhelm Leibl oder der Torso des Laokoon von Jakob Ignatz Hittorf. Diese Motive waren damals sehr beliebt und entsprechend gut verkäuflich. Dazu gesellt sich auch das Zeichnen nach Druckgrafiken, wobei hier Dürer und sein Werk eine zentrale Rolle spielen. Beispiele sind hier „Die Vision des heiligen Eustachius“ oder „Das Liebespaar und der Tod“.

Bei den Werken, die Zeichenschulen thematisieren, sind Frauen zunächst, wenn überhaupt, nur als Zuschauerinnen zu sehen. Erst spät werden sie selbst zu Zeichenschülerinnen. Zunächst passiert das in privaten Schulen. Erst ab 1896 werden Frauen auch in den Akademien als Studentinnen zugelassen. Das Aktzeichnen bleibt ihnen bis 1850 verboten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort