Kulturengel rollt nach Istanbul

Am Montag machen sich die Künstler Gregor Merten und Carmen Dietrich auf die Reise.

Burscheid. Gregor Mertens Hände sind ölverschmiert, mit großem Krafteinsatz hievt er die Skulptur auf die Halterung des mehr als 30Jahre alten Transporters. Im Haus lagern Aluminium und Stahlplatten, eine Tonne weißen Quarzsplitt haben Merten und Carmen Dietrich schon vorausgeschickt. "Anders ist das gar nicht machbar", sagen sie.

Fast ein Jahr haben die Vorbereitungen für die Kunstaktion gedauert, der ein oder andere Kritiker musste überzeugt, Formalitäten mussten am Zoll geklärt werden. Es sei nicht einfach gewesen, alle Menschen für sich sich einzunehmen, ein riesiger Kraftakt, sagen die Künstler.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Überzeugungsarbeit leisten müssen und auf ihrer Türkeireise für das Projekt geworben. Aufzugeben - daran haben die Künstler nie gedacht. Merten beschreibt das in einfachen Worten: "Das macht was mit uns. Wir können gar nicht mehr anders."

"Engel der Kulturen", nennt sich die Stahlskulptur, die ab Montag auf dem Transporter Richtung Istanbul rollt. Essen, Pécs, Istanbul - das sind nur einige der Stationen, die auf dem Weg der Künstler liegen. Ließe sich das Projekt in zwei Worte fassen, wären es wohl diese: Toleranz zeigen. "Wir wollen erreichen, dass die Menschen aufeinander zugehen", sagt Merten. "Das gilt für alle Religionen und Kulturen."

Die 1,50 Meter hohe Skulptur setzt die drei Weltreligionen miteinander in Beziehung: Halbmond, Kreuz und Stern bilden im Negativ die Form eines Engels.

Eine Symbolik, die sich zufällig ergab. Als die Künstler an der Skulptur arbeiteten, hatten sie anderes im Sinn. Carmen Dietrich entdeckte den Engel. Sie blätterte im Lexikon, forschte zum Thema und fand heraus: "Den Engel gibt es in allen drei Religionen."

Auf ihrer Reise nach Istanbul halten die Künstler im bosnischen Sarajevo oder serbischen Belgrad. Wo vor gar nicht allzu langer Zeit noch Krieg war, schaffen die Künstler einen Engel aus Sand, streuen die Stahlskulptur mit weißem Quarzsplitt aus.

Der Engel der Kulturen sei eine soziale Skulptur, alle machen mit, das schafft Verbundenheit - auch im Kleinen. In Augsburg, Pécs und Istanbul werden Merten und Dietrich einen Engel aus einer Platte Stahl schneiden, den verbleibenden Ring mit Beton ausgießen und die Intarsie in der nächsten Stadt im Boden verankern, den Toleranzgedanken immer weitertragen.

Die Künstler freuen sich auf die Reise, auch wenn es daheim Ärger gibt. Die rechte Bürgerbewegung Pro NRW habe widerrechtlich ein Foto der Skulptur in ihrer Wahlkampfzeitung veröffentlicht, berichtet Merten. Die Künstler sind darüber immer noch empört. "Wir haben vor dem Kölner Landgericht auf Unterlassung geklagt und Recht bekommen."

Ausgestanden sei der Streit vor Gericht noch nicht, erst am Dienstag habe er sein Abbild erneut auf den Seiten der rechten Gruppierung entdeckt, sagt Merten. Er klagt weiter. "Dabei können wir das so kurz vor der Reise überhaupt nicht gebrauchen."

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