Kölsche Mundart neu entdeckt

Wolfgang Niedecken schreibt Vorwort zu Adam Wrede „Neuer kölnischer Sprachschatz“.

Kölsche Mundart neu entdeckt
Foto: dpa

Köln. Was ist Kuletsch? Was ist Mömmes? Und was um Himmels willen ein Hirringsbändijer? Die Antwort steht im „Wrede“: Es geht um Lakritze, Popel und um einen Lebensmittelhändler. Wenn es ein Werk gibt, das unverzichtbar für alle Freunde der kölschen Sprache ist, dann ist es Adam Wredes Neuer kölnischer Sprachschatz.

Seit 1956 hat der Wälzer Auflage um Auflage erlebt — das gibt es wohl wirklich nur in Köln. Möglich war das, weil dieses Buch eben nicht nur das maßgebliche wissenschaftliche Nachschlagewerk zur kölnischen Mundart ist, sondern auch eine fesselnde und höchst unterhaltsame Kulturgeschichte Kölns.

„Man kann darin surfen — ganz ohne Internet“, sagt Wolfgang Niedecken bei der Vorstellung der neuesten Ausgabe, für die der BAP-Sänger ein Vorwort beigesteuert hat. Sobald er das Buch aufschlage, lese er sich fest, erzählte er — und meinte augenzwinkernd: „Ich kann davor nur warnen: Das Buch ist ein Zeitfresser!“

„Manchmal stoße ich auf ein Wort, das ich noch nie gehört habe, zum Beispiel Bejingebützje, Beginenküsschen, für einen züchtigen Kuss auf die Stirn, denn Nonnen nannte der Volksmund damals Bejingen. Oder ich stelle fest, dass ein Begriff für mich eine etwas andere Bedeutung hat“, berichtet Niedecken von seinen Entdeckungen im kölnischen Sprachschatz.

Bei dessen Erscheinen 1956 der Musiker gerade mal sechs Jahre alt war. Die Mundart habe sich seit damals weiterentwickelt, wie das bei jeder Sprache der Fall sei. „Adam Wrede konserviert das Kölsch, wie es damals und zum Teil schon lange davor gesprochen wurde. Er hat die Sprache gleichsam in Bernstein eingefangen“, schreibt Niedecken und findet es richtig, dass der Verlag auf eine Aktualisierung des Inhalts verzichtet.

Der „Wrede“ erklärt nicht nur Begriffe, Namen und Redewendungen — er erzählt Geschichten: über Straßen und Kinderspiele, Berufe und Bräuche, Heilige und Käuze. Dabei stößt jeder Köln-affine Leser auf etwas, was er irgendwann mal gehört, aber womöglich nie richtig verstanden hat. Niedecken, der wohl bekannteste Protagonist des Kölschen, ist sicher: „Jeder liest den Wrede auf seine eigene Weise, weil er sich von seinen persönlichen Assoziationen leiten lässt.“

In der Einleitung berichtet der Kölner Musiker von seinen eigenen Erfahrungen: „Als ich noch ein kleiner Junge war, drohten mir meine Eltern manchmal mit dem Huppet Huhhot. Wer er genau war, haben sie mir nie erklärt. Mussten sie aber auch nicht, denn in meiner Fantasie malte ich mir ganz von selbst den furchtbarsten Kinderschreck aus, den man sich vorstellen kann.“ Hätte Niedecken den Wrede damals schon gekannt, hätte er sich seine Ängste ersparen können. „Der Huppet Huhhot ist dort als neckischer Kobold beschrieben, der rund um den Bayenturm im Rheinauhafen sein Unwesen treibt. Der Schrecken meiner Kindheit ist ein Kobold, ein Zwerg!“

Dass nun eine weitere Auflage dieses Sprachschatzes erscheint, führt Niedecken auf ein wieder erwachtes Interesse an der Kölner Sprache zurück: „Das Kölsche findet heute eine Anerkennung, die es früher so nicht gab.“ Viele Zugezogene belegten zum Beispiel Kurse, um sich die Sprache ihrer Wahlheimat zu erschließen — das habe es so nicht gegeben. “Die kölsche Sprache ist ein Schatz“, sagte Niedecken, „Und der Wrede ist die Truhe, die diesen Schatz bewahrt.“

Adam Wrede. Neuer kölnischer Sprachschatz, Greven-Verlag, 1148 Seiten, 49.90 Euro

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