Leverkusen Vom Wert der Kultur - Protest gegen Schließung von Museum Morsbroich

In regelmäßigen Abständen werden Museen in klammen Städten als ideales „Einsparpotenzial“ entdeckt. Doch der Wert von Kultur kann schwerlich mit betriebswirtschaftlichen Kategorien gemessen werden.

 Die drohende Schließung des Museums Morsbroich schlägt hohe Wellen.

Die drohende Schließung des Museums Morsbroich schlägt hohe Wellen.

Foto: Federico Gambarini

Leverkusen. In der Betriebswirtschaftslehre lässt sich der Wert der Kultur ganz einfach ausrechnen. Und der ist beim Museum Morsbroich in Leverkusen negativ: 16 500 Besucher kamen 2015 ins Museum. Aber nicht einmal die Hälfte von ihnen zahlte Eintritt.

Im ersten Halbjahr 2015 spazierten pro Öffnungstag durchschnittlich 54 Personen durch die Ausstellungen in dem barocken Lustschloss, doch nur 18 von ihnen mussten eine reguläre Karte kaufen - Schulklassen oder Teilnehmer von Bildungskursen haben freien Eintritt. Schon im Jahr 2014 wurde ein Zuschussbedarf von 181,72 Euro pro Karte berechnet, was einem Kostendeckungsgrad von 15 Prozent entspricht. Tendenz weiter sinkend.

Diese und andere Rechnungen stellten die Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft KPMG für Morsbroich auf. Das Museum ist klein, aber es gehört mit seiner Sammlung von Kunst seit 1945 zu den renommiertesten Häusern für Gegenwartskunst in Nordrhein-Westfalen. Gerhard Richter und Rosemarie Trockel stellen dort aus. Aber Renommee lässt sich in keine mathematische Formel pressen.

Da die verschuldete Stadt Leverkusen ihre Sparvorgaben auch im Kulturbereich erfüllen muss, schlagen die Prüfer die Schließung des Museums Morsbroich vor. Dadurch und mit der Auflösung der Sammlung könnten 778 450 Euro pro Jahr gespart werden, heißt es im KMPG-Bericht „Optimierungspotenziale der KulturStadtLev“.

Eine Million Euro Defizit macht der städtische Kulturbetrieb pro Jahr. Dass die Kultur Leverkusens jährlich eine „Bahnstadtmillion“ opfern muss, um Kosten für die Gütergleisverlegung ins benachbarte Opladen zu refinanzieren, ist dabei nur eine Nebenrechnung.

In regelmäßigen Abständen kommt irgendwo in Deutschland die Idee auf, ein Museum dicht zu machen, um Kommunen finanziell zu entlasten. So war es vor einigen Jahren in Bochum. Auf einer „Ideenliste“ stand die Schließung des Kunstmuseums der Ruhrgebietsstadt, um so 1,2 Millionen Euro zu sparen. Ein Proteststurm beendete die Debatte ebenso wie die um das Museum in Mülheim an der Ruhr. Auch das bei Schülern beliebte Deutsche Museum in Bonn, Außenstelle des großen Deutschen Museums in München, steht vor dem Aus.

2012 ging Empörung durch die Kulturszene, als Experten in dem Buch „Der Kulturinfarkt“ die Hälfte der Theater, Museen und Orchester in Deutschland für verzichtbar erklärten. Und erst im vergangenen Dezember sprach sich die Chefin der Stuttgarter Staatsgalerie, Christiane Lange, dafür aus, den Museumsboom in Deutschland zu bremsen. Vielleicht gäbe es „einfach zu viele Museen“, sinnierte Lange in einem „FAZ“-Interview.

Die KPMG-Prüfer bezweifeln, dass die Schließung von Morsbroich „in breiten Teilen der Bevölkerung als tatsächlicher Verlust wahrgenommen wird“, da große Teile der Sammlung ohnehin nicht in Ausstellungen sichtbar würden. Außerdem nutzten nur rund 3,6 Prozent der Leverkusener Bevölkerung das Museum.

„Besucherzahlen sind nicht immer der beste Indikator dafür, um zu beurteilen, wie lebendig ein Museum und wie wichtig es für eine Kommune ist“, sagt Eckart Köhne, Präsident des Deutschen Museumsbundes. „Museen haben oft keine Chance, qualitativ zu argumentieren, weil Entscheidungen allein aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen vorbereitet werden.“ Dass der Bildungsauftrag und die Bedeutung von Museen für den Gesellschaftsdiskurs wichtige Funktionen haben, spiele in der „monetären Betrachtung“ keine Rolle.

„10 000 bis 15 000 qualitativ gut betreute Menschen, die etwas mitnehmen für sich und damit auch in die Gesellschaft hineinwirken, können wichtiger sein als 300 000, die die hundertste Macke-Ausstellung sehen“, sagt Köhne, der auch Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe ist.

Susanne Titz leitet das Museum Abteiberg in Mönchengladbach, das mit 20 000 bis 25 000 Besuchern ebenfalls zu den kleineren Häusern in einer verschuldeten Kommune zählt. Sie sagt: „Kultur ist ein öffentlicher Auftrag der Städte und kein Privatvergnügen.“ Auch Abteiberg arbeite viel mit Schülern. Dadurch erkläre sich, dass die Eintrittseinnahmen nicht so hoch seien. Doch die Auseinandersetzung mit Kultur finde nun einmal vor Ort statt, auch abseits der Touristenpfade. Schon die Miete eines Schulbusses, um nach Köln oder Düsseldorf zu fahren, sei oft zu teuer.

Bis zum 27. Juni soll die Verwaltung Leverkusens über die Zukunft von Morsbroich entscheiden. Köhne sagt: „Dass Museen geschlossen werden, ist selten der Fall, weil man am Ende diese Konsequenz doch scheut.“

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