Interview „Noten sind Stressmacher“

Köln. · Maus-Moderator Ralph Caspers erinnert sich im Interview an seine eigene Schulzeit und an die Arbeit für die Themenwoch „Zukunft Bildung“.

 Maus-Moderator Ralph Caspers hat sich in seiner Schulzeit gerne die leichten Wege ausgesucht.

Maus-Moderator Ralph Caspers hat sich in seiner Schulzeit gerne die leichten Wege ausgesucht.

Foto: step/Eppinger

Vom 9. bis zum 11. November läuft in der ARD die Themenwoche „Zukunft Bildung“. Auch bei der „Sendung mit der Maus“ mit Moderator Ralph Caspers gibt es am kommenden Sonntagvormittag um 9.30 Uhr dazu das Spezial „Wir machen Schule“.

Ab Samstag steht in der ARD die Themenwoche „Zukunft Bildung“ an. Wie waren Sie selbst in der Schule?

Ralph Caspers: Ich war in der Schulzeit eher faul und gehörte zu denen, die mit möglichst wenig Aufwand, den größtmöglichen Erfolg herausholen wollten. So habe ich während der Schulzeit viele Wege gefunden, um mir die Arbeit leichter zu machen.

Was waren das für Wege?

Caspers: Ich habe gepfuscht, wo es eben nur ging. Aber manchmal kann das auch sinnvoll sein. Wenn man zum Beispiel einen Spickzettel schreibt, ist das auch eine Art zu lernen, weil man sich mit dem Stoff beschäftigen muss. Und wenn man so einen Spickzettel für den Fall der Fälle dabei hat, fühlt man sich direkt sicherer. Benutzt habe ich diese Hilfen so nur selten.

Waren Sie ein guter Schüler?

Caspers: Ich war ein unauffälliger und durchschnittlicher Schüler. Deutsch und Englisch waren meine Lieblingsfächer. Da ist alles gut, wenn man eine Sache behauptet und das dann entsprechend begründen kann. Bei Bio oder Physik hat das nicht so funktioniert.

Hatten Sie mal Pläne, selbst Lehrer zu werden?

Caspers: Niemals.

Was könnte man aus Ihrer eigenen Erfahrung als Schüler heraus heute besser machen?

Caspers: Das Zentrale beim Unterricht ist und bleibt der Lehrer. Es gab schon immer Lehrer, die von ihrem Fach begeistert waren und so ihre Schüler mitgerissen haben. Und es gibt diejenigen, die das nicht konnten und bei denen es schwer war, sie zu verstehen. Und über die man sich total aufgeregt hat, weil sie so doof waren. Lustigerweise sorgen die schlimmen Lehrer oft für die besten Anekdoten.

Gibt es da Beispiele?

Caspers: Wir hatten in der siebten Klasse einen Mathelehrer bekommen, der es sehr genau und korrekt genommen hat. Der hätte es am liebsten gehabt, dass alle Schüler exakt die gleichen Buchstaben und Zahlen aufs Papier bringen. Bei der ersten Klassenarbeit hat er sich fast geweigert, diese zu korrigieren. Und schon bald gab es erste Schreibübungen. Da durften wir Bruchstriche nur noch mit dem Lineal ziehen. Das war schon unglaublich.

Hat sich das heute gebessert?

Caspers: Wenn man das Gymnasium betrachtet, habe ich den Eindruck, dass es keine großen Veränderungen im Vergleich zu meiner Zeit gibt. Mal abgesehen davon, dass es mehr Doppelstunden gibt und zwei Klassenlehrer statt nur einem. Das ist bei den Grundschulen anders, die haben sich ganz erheblich weiterentwickelt.

Sie waren in einer Kölner Grundschule, wo die Schüler für einen Tag selbst bestimmen durften, was sie machen und lernen wollen.

Caspers: Ja, das war ein sehr interessantes Experiment bei der Sendung mit der Maus. Anders als zu erwarten wären, ging es nicht darum, das Lernen nur durch Spielen zu ersetzen. Es ging darum, wie Kinder anderen Kindern etwas beibringen können und wie sie durch Lehren auch lernen. Und die Schüler haben erfahren, wie schwer das sein kann. So mancher war froh, dass das nur einen Tag gedauert hat. Wer anderen etwas beibringen möchte, muss sich organisieren und den Lernstoff interessant machen. Auch für die Lehrer in der Schule war das eine interessante Erfahrung, mitzubekommen, was Kinder selbst gerne wissen möchten.

Es ist nicht immer leicht, Dinge anderen Menschen zu erklären?

Caspers: Das bekomme ich oft mit, wenn ich für eine Sendung recherchiere und einen Experten brauche, der mir etwas erklärt und das in einer Sprache, die jeder verstehen kann. Da kommen die Leute, wenn ich immer wieder nachfrage, schon mal an ihre Grenzen. Da merkt man auch die Diskrepanz zwischen impliziten, stillen und expliziten Wissen. Das gilt zum Beispiel auch für Sprachen, wenn man sie aktiv anwenden muss. Und oft wissen wir mehr, als wir erklären können. Wir machen sehr viel ganz automatisch, ohne drüber nachzudenken.

Was halten Sie von Noten in der Schule?

Caspers: Noten sind Stressmacher für Schüler und Hirnforscher haben herausgefunden, dass Stress die größte Hürde beim Lernen ist.

Welche Rolle spielen Sendungen wie die mit der Maus oder „Wissen macht Ah!“ beim Lernen?

Caspers: Wir waren zum Beispiel zu Gast beim Wettbewerb „Jugend forscht“. Als wir da durch die Ausstellung gegangen sind, haben einige gesagt, dass sie nur wegen uns da sind, weil wir sie für ihre Forschungsthemen interessiert haben. Das ist total schön. Bei uns gibt es keine Noten, man kann einfach ganz entspannt zugucken. Auch im Schulunterricht sind unsere Themen häufiger der Aufhänger, um das Ganze, dann zu vertiefen. Das, was wir machen, hat eine Türöffnerfunktion.

Was denken Sie ganz allgemein über das deutsche Bildungssystem?

Caspers: Das ist ziemlich antiquiert, weil es noch aus der Zeit der Industrialisierung stammt. Damals ging es nur darum, den Menschen Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. So konnten sie in den Fabriken die Anweisungen befolgen. Heute sind andere Dinge wie Problemlösen oder Kreativität viel wichtiger. Interessant ist es, wenn wir mit der Maus Kinder in anderen Hauptstädten besuchen. Da gehen wir dann auch mit in die Schule. In England gibt es zum Beispiel das Fach Drama – eine Schauspielklasse, wo es um die Art, sich auszudrücken, geht. Und das ist nicht nur Schreiben und Sprechen, sondern eine Arbeit mit dem ganzen Körper. Das kommt in Deutschland oft zu kurz. Und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich Bewegen zum Beispiel bei einer Schreibblockade helfen kann. Da muss man nur einmal um den Block gehen. Bei uns in der Schule bewegt man sich eigentlich nur beim Sport, das ist schade.

Wie wichtig ist digitales Wissen?

Caspers: Ich bin mit dem Computer aufgewachsen und habe keine Berührungsängste. Das Digitale ist total wichtig, weil es den Alltag sehr erleichtert. Wir haben eine eigene Sendung gemacht, bei der es darum ging, wie das Internet funktioniert von den kleingeschriebenen Nutzungsbedingungen über die Sicherheit von Passwörtern und dem Posten von Fotos.

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