Kultur : Neue Direktorin stellt sich vor
Köln Der „Simplicissimus“ ist das bekannteste Satireblatt der deutschen Wirtschaftswunderjahre. Seine Wurzeln hat die Zeitschrift im Wilhelminischen Kaiserreich, in der diese mit Witz und Schärfe politisch-gesellschaftliche Missstände aufs Korn nimmt.
Das Wappentier des Simplicissimus, dessen Name auf einen barocken Roman von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen zurückgeht, ist die „rote Bulldogge“, die ihre Ketten gesprengt hat und sich mit bleckenden Zähnen den Mächtigen in den Weg stellt. Sie kennt bei Lügen und Gewalt keine Gnade und lässt sich nicht einschüchtern. Damit wird die unbeugsame Bulldogge zur einzig „wahren Opposition“.
Viele Künstler engagieren sich mit ihren entlarvenden Zeichnungen im „Simplicissimus“. Dazu zählt ab 1908 auch Käthe Kollwitz, die bis 1911 insgesamt 14 Beiträge für die Zeitschrift beisteuert, die ihren ganz eigenen Stil haben, die aber nicht weniger schonungslos mit der Realität umgehen. Bis zum 3. Oktober widmet das Käthe-Kollwitz-Museum am Neumarkt dem „Simplicissimus“ eine Sonderausstellung, die vom früheren Leiter der grafischen Sammlung im Wallraf, Uwe Westfehling, kuratiert worden ist.
Zeitschrift gibt ihre kritische Haltung 1914 für einige Jahre ab
Im Kaiserreich rechnet der „Simplicissimus“ so gnaden- wie respektlos mit Kaiser Wilhelm II. ab, der sich bei einer Reise nach Palästina als Beschützer des Christentums und politischer Messias inszeniert. Die Folgen für den Gründer Albert Langen und seine Mitstreiter sind gravierend – es folgen Verhaftungen und Geldstrafen. Lange leistet der „Simplicissimus“ trotzdem Widerstand und mahnt vor dem zu erwartenden großen Weltkrieg. Doch 1914 gibt die Zeitschrift ihre kritische Haltung auf und fügt sich dem allgemeinen patriotischen Klima. Im Sündenfall, der sich nach neuem Elan in den 1920er Jahren, mit den „Gleichschaltungen“ ab 1933 wiederholen sollte. Das Ende kommt 1944 ganz profan durch Papierknappheit.
Doch der „rote Hund“ steht auch nach dieser Niederlage wieder auf und kehrt in den 1950er Jahren, als Wochenzeitschrift zur Zeit des Kalten Krieges, der deutschen Teilung und des Wirtschaftswunders, wieder zurück. Getragen wird der „neue Simpilcissimus“ von einer frischen Riege von Journalisten, die an die kritische Tradition unter dem berühmten Titel anknüpfen können. Sie nehmen die wichtigen Themen und Persönlichkeiten der Zeit schonungslos in den Fokus. Das gilt für die Protagonisten des Ost-West-Konfliktes genauso wie für die Politik Konrad Adenauers in europäischen und innerdeutschen Fragen. Auch der „deutsche Michel“ selbst muss sich Schmähkritik der Zeichnungen sowie der Glossen und Kommentare gefallen lassen.
Wie schon in der Kaiserzeit prägen die Zeichner in der jungen Bundesrepublik den „Simplicissimus“. Dazu zählen A. Paul Weber, Hanns Erich Köhler und H.M.-Brockmann mit ihren stets bissigen Beiträgen. Es dauert nicht lange, bis die „rote Dogge“ von den Mächtigen wieder gefürchtet und von den Lesern gefeiert wird. Erschreckend ist die blutige Aktualität der Beiträge, die wie beim Kalten Krieg Erinnerungen an den aktuellen Ost-West-Konflikt mit Russland und den Ukraine-Krieg erwachen lassen. Und auch heute sind die Reaktionen auf Satire heftig, wie der Terroranschlag auf das französische Magazin Charlie Hebdo deutlich gemacht hat.