Interview „Die Ungewissheit ist für uns das größte Problem“

Bastian Campmann ist der Sänger der Kölner Band Kasalla. Im Interview spricht er über das Leben in der Coronakrise, die Verlegung des Stadionkonzerts und die ungleiche Behandlung der Kultur.

 Die Kölner Band Kasalla mit ihrem Sänger Bastian Campmann (Mitte).

Die Kölner Band Kasalla mit ihrem Sänger Bastian Campmann (Mitte).

Foto: Kasalla/BEN_WOLF

Wie erleben Sie Köln in der Coronakrise?

Bastian Campmann: Das ist ein Erlebnis mit vielen Facetten. Zu Beginn war die Leere in der Stadt ziemlich gespenstisch. Jetzt nach den Lockerungen ist wieder das Leben etwas zurückgekehrt. Die Leute nehmen ihre erweiterte Freiheit gierig an. Die Situation davor war unwirklich, gerade in einer Stadt wie Köln, die davon lebt laut und bunt zu sein. Hier wird normalerweise das Leben gefeiert und zelebriert.

Welche Folgen hat die Krise für Kasalla als Band?

Campmann: Die Musiker und auch alle anderen Kulturschaffenden waren die ersten, die abgeschaltet worden sind, und sie werden wohl die letzten sein, die wieder angeschaltet werden. Die Ungewissheit ist für uns das größte Problem. Wir sind als Band auf große Menschenansammlungen angewiesen, die in absehbarer Zeit nicht möglich sein werden. Wir versuchen gerade neue Wege zu finden. So gibt es unser erstes Streamingkonzert und Konzerte im Autokino sind in Planung. Das alles ist natürlich kein Ersatz für das wirkliche Leben nahe an den Menschen. Ein tiefer Schlag war für uns die Absage unseres ersten Stadionkonzerts zum Bandjubiläum. Da gibt es inzwischen mit dem 2. Juli 2021 einen Ersatztermin, was uns wieder Hoffnung macht.

Wie sieht es überhaupt mit Konzerten in diesem Jahr aus und was wird mit der Karnevalssession?

Campmann: Ich befürchte, dass bis zum Frühjahr 2021 wohl keine großen Veranstaltungen wie Konzerte stattfinden können, da es bis dahin keinen Impfstoff geben wird. Auch die Karnevalssession wird es daher wahrscheinlich nicht in der gewohnten Form geben können. Das bringt die Existenzen von Gruppen und Solokünstlern in Gefahr. Schon jetzt tut jede Woche weh und bringt Künstler dem Abgrund näher. Natürlich hofft man bis zuletzt – vielleicht auch darauf, dass das Virus im Sommer einfach verschwindet oder es komplett neue Erkenntnisse dazu gibt.

Wie reagieren die Fans?

Campmann: Wir machen regelmäßig Podcasts, um mit Fans und Kollegen im Kontakt zu bleiben. Wir bekommen gerade sehr viel positives Feedback und Unterstützung. Im Gegenzug posten wir Videos, um ein Lebenszeichen von uns zu geben. Die Reaktionen der Fans machen uns Mut, weil wir wissen, dass es da draußen Menschen gibt, die auf uns warten.

Wie sieht aktuell der Bandalltag aus?

Campmann: Da hat die Krise ziemlich viel verändert. Wir tauschen uns regelmäßig online aus und suchen nach neuen kreativen Ideen. Unser Büro ist gut ausgelastet, da viele Veranstaltungen abgesagt bzw. verlegt werden müssen. Es hat sich eine neue Normalität über unser Leben gelegt, die vor drei Monaten noch der Stoff für einen schlechten Science Fiction gewesen wäre. Unser neues Album sollte zum Stadionkonzert im Sommer veröffentlicht werden. Daran arbeiten wir im Moment. Man kann sich über das Internet sehr gut austauschen. Ab und zu kommen wir auch in Kleinstgruppen mit Abstand und den gebotenen Sicherheitsmaßnahmen zusammen. Nach dem Schockmodus der ersten Wochen wollen wir jetzt wieder kreativ nach vorne schauen.

Die Kultur hat es im Moment ziemlich schwer.

Campmann: Man sollte nicht Bereiche und Branchen gegeneinander ausspielen. Da hat jede Branche ihre ganz eigenen, berechtigten Wünsche und Forderungen. Und es gibt zum Beispiel im Einzelhandel und bei den Schulen durchaus kreative Lösungen. Schade ist nur, dass im Kulturbereich noch nicht einmal darüber nachgedacht wird, solche Lösungen zu finden. Da gibt es keine Definition von Großveranstaltungen. Über kleinere Veranstaltungen mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen wie Abstand oder Mundschutz wird nicht mal diskutiert. Man hat die Live-Kulturbetrieb einfach abgeschaltet und über eine Rückkehr wird nicht nachgedacht. Das tut weh und wird auch nicht verstanden. Kultur wird aktuell einfach nicht als systemrelevant angesehen, das ist schade.

Was macht Ihnen Hoffnung und was macht Ihnen Sorgen?

Campmann: Hoffnung macht mir die neue Kreativität in vielen Bereichen, die auch neue Formate hervorbringt. Auch das Zusammenrücken in der Gesellschaft, wie beim gemeinsamen Singen bei mir in der Straße, macht mir Hoffnung. Und vielleicht denkt der eine oder andere Manager auch darüber nach, ob er ständig in den Flieger steigen muss, um zu Konferenzen zu fliegen, die man auch online erledigen könnte. Dann hätte die Krise auch etwas Positive bewirkt. Sorgen macht mir die Ungewissheit, wie alles weiter geht. Man weiß nicht, wie lange alles dauert und ob wir irgendwann überhaupt wieder in die Zeit vor der Krise zurückkehren können. Es gibt ja Wissenschaftler, die darauf aufmerksam machen, dass gegen Sars-Viren noch nie ein Impfstoff gefunden worden ist, und die vermuten, dass erkrankte Menschen auch nicht immun gegen das Virus werden können. Da bekommt man schon Angst vor der Zukunft.

Wie gehen Sie selbst im Alltag mit der Bedrohung um?

Campmann: Ich habe schon vor der Pflicht einen Mund- und Nasenschutz getragen. Das tut nicht weh und kann gegen die Verbreitung des Virus helfen. Ich halte auch schon ganz automatisch auf der Straße Abstand zu anderen Menschen und konzentriere mich zu Hause auf meine Kernfamilie. Aber ich mache mir auch Gedanken, was passiert, wenn dieser Zustand noch länger anhält. Da vereinsamen gerade ältere Menschen und auch für Kinder und Jugendliche ist die Situation alles andere als einfach. Man fragt sich, ob am Ende die Schäden der gesamten Maßnahmen nicht größer sind, als die Schäden, die das Virus selbst anrichtet.

Welche Tipps haben Sie für die Zwangspause zu Hause?

Campmann: Wichtig ist, dass man, wenn das Wetter auch nur halbwegs gut ist, die Gelegenheit nutzt und nach draußen geht. Der Himmel fällt einem nicht so schnell auf den Kopf wie die Decke.

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