Snoep Museumsdirektorin drängt auf Rückgabe der Benin-Bronzen

Köln · Da stehen sie, die Benin-Bronzen. Jahrhundertealte Spitzenwerke afrikanischer Künstler aus dem Königreich Benin im heutigen Nigeria. Etwa 1100 der Skulpturen und Tafeln befinden sich in Deutschland, 96 davon im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln.

 Nanette Snoep, Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museum, setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Deutschland die kostbaren Benin-Bronzen an Nigeria zurückgibt. In diesem Jahr könnte es soweit sein.

Nanette Snoep, Direktorin des Rautenstrauch-Joest-Museum, setzt sich seit vielen Jahren dafür ein, dass Deutschland die kostbaren Benin-Bronzen an Nigeria zurückgibt. In diesem Jahr könnte es soweit sein.

Foto: dpa/Marius Becker

Noch sind sie dort in Vitrinen ausgestellt. Direktorin Nanette Snoep hofft jedoch, dass noch in diesem Jahr die ersten Werke an Nigeria zurückgegeben werden. „Noch vor drei Jahren hätte ich das nicht für möglich gehalten, doch jetzt kann ich mir vorstellen, dass Ende des Jahres tatsächlich die erste Rückgabe stattfinden wird.“

Bronzen werden als
koloniales Raubgut eingestuft

Die Bundesrepublik hat sich im vergangenen Jahr bereit erklärt, Nigeria die Eigentumsrechte an den Benin-Bronzen zu übereignen. Für Nanette Snoep würde damit ein Traum in Erfüllung gehen: Seit ihren Studententagen setzt sich die heute 50-jährige Niederländerin für Rückgaben ein. Die Bronzen lassen sich eindeutig als koloniales Raubgut einstufen. 1897 wurden sie von britischen Truppen bei einer Strafexpedition erbeutet und nach London geschafft. Dort gehörten deutsche Museen zu den eifrigsten Käufern.

Snoep war viele Jahre Sammlungsleiterin am Musée du quaiBranly in Paris, dem großen französischen Museum für außereuropäische Kunst. Anschließend war sie von 2015 bis 2018 Direktorin der Staatlichen Ethnografischen Sammlungen in Dresden. „Als ich 2015 in Sachsen ankam, war das Bewusstsein, dass auch Deutschland ein koloniales Erbe hat und stark vom Kolonialismus geprägt ist, noch nicht sehr verbreitet“, erinnert sie sich. „Aber seitdem hat sich unglaublich viel verändert. Und jetzt habe ich sogar das Gefühl, dass Deutschland hier eine Vorreiterrolle einnimmt.“ Frankreich habe zwar bereits 26 Skulpturen an die Republik Benin zurückgegeben. „Deutschland spricht aber über mehr als 1000 Benin-Werke aus Nigeria, die zurückgegeben werden könnten.“ Das sei schon eine andere Hausnummer.

Es ist hierzulande wenig bekannt, dass Deutschland über eine der größten Sammlungen von Kunstwerken und Artefakten aus dem globalen Süden verfügt. Zwar war Deutschland nur wenige Jahrzehnte während des Kaiserreichs selbst Kolonialmacht, doch entstanden in dieser Zeit zahlreiche Völkerkundemuseen, die finanziell außergewöhnlich gut ausgestattet waren. Das Rautenstrauch-Joest-Museum war eines davon. „Mit deutscher Gründlichkeit wurden damals viele Expeditionen unternommen, so dass in sehr kurzer Zeit hunderttausende Objekte nach Deutschland kamen“, erzählt Snoep.

Der Kölner Sammler und Weltreisende Wilhelm Joest profitierte dabei von den Kolonialstrukturen der Niederländer. So kommt es, dass das heutige Museum über eine große Kollektion aus Indonesien verfügt, dem ehemaligen Niederländisch-Indien. „Es macht deshalb viel mehr Sinn, über europäische Kolonialgeschichte zu sprechen, anstatt dies immer im nationalen Kontext zu sehen“, meint Snoep.

Bei der Rückgabe spielen nicht nur materielle Aspekte eine Rolle. „Es geht darum, wie wir eine Versöhnung zustande bringen können, es geht um Emotionen“, sagt Snoep. Das sei zum Beispiel deutlich geworden, als die nigerianische Künstlerin und Professorin für Kunstgeschichte, PejuLayiwola, die Benin-Bronzen des Rautenstrauch-Joest-Museums für die aktuelle Sonderausstellung „Resist!“ kuratiert habe. Zum ersten Mal durfte sie die Werke in die Hand nehmen, was ihr bis dahin von keinem Museum erlaubt worden war.

„Ich hatte Gänsehaut“, sagte sie anschließend. Layiwola, die eine Ururenkelin des Königs von Benin ist, war vor allem schockiert darüber, dass 93 der 96 Kölner Benin-Bronzen immer nur im Depot schlummerten. Nur drei hatten einen Platz in der Dauerausstellung. Das macht in ihren Augen deutlich, wie sehr die Werke in europäischen Museen ihre eigentliche Bedeutung und ihren kulturellen Kontext eingebüßt haben. In Benin erzählten die Tafeln ursprünglich die Geschichte des bedeutenden Königreichs. Auseinandergerissen und in alle Winde verstreut, ging diese Funktion verloren.

Die Übertragung der Eigentumsrechte, wie sie von der Bundesrepublik und Nigeria vereinbart worden ist, schließt nicht aus, dass auch künftig ein Teil der Bronzen in deutschen Museen gezeigt wird. „Die Entscheidung darüber liegt aber bei Nigeria“, betont Snoep. „Das bedeutet, dass sich die durch den Kolonialismus begründeten Machtverhältnisse umgekehrt haben. Und das finde ich großartig.“

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