Kultur „Menschen brauchen wieder ihre Sehnsuchtsorte“

Köln · Wegen des strengen Lockdowns haben derzeit alle Kölner Museen geschlossen. Das gilt auch für das Käthe Kollwitz-Museum am Neumarkt. Wir haben mit der Direktorin Hannelore Fischer über die großen Herausforderungen und Sorgen in Zeiten der Corona-Pandemie gesprochen.

 Hannelore Fischer ist die Direktorin des Käthe Kollwitz-Museums.

Hannelore Fischer ist die Direktorin des Käthe Kollwitz-Museums.

Foto: Museum/Felix Mayr

Wie erleben Sie die Situation jetzt im zweiten Lockdown?

Hannelore Fischer: Es gibt aktuell keine Planungssicherheit für die Sonderausstellungen in diesem Jahr. Man stochert im Nebel und weiß nicht, ob Projekte wieder verschoben werden müssen. Der Lockdown mit der Schließung der Kultureinrichtungen hat uns schon sehr getroffen. Unsere Art-Déco-Ausstellung, erst Ende September eröffnet, war gerade gut im Fluss. Über 5000 Besucher hatten die Schau gesehen – und dann kam die erneute Schließung. Im Rückblick kann man schon sagen, dass es fraglich war, Möbel- und Modehäuser offenzulassen und Museen zu schließen. Aber das war eine politische Entscheidung mit dem Versuch, die Pandemie einzudämmen, und selbstverständlich haben wir unseren Beitrag dazu zu leisten. Jetzt sind wir in einer abwartenden Haltung, was das laufende Jahr betrifft.

Wie sieht aktuell Ihr Berufsalltag aus?

Fischer: Die Arbeit geht weiter und wird auch trotz der Schließung nicht weniger. Wir haben ausreichend Büros zur Verfügung, und wo sie doppelbesetzt sind, arbeiten die Kollegen abwechselnd im Homeoffice. Ansonsten nutzen wir die Zeit, um einige notwendige Reparaturen vornehmen zu lassen. Außerdem haben wir einen aufwändigen 360 Grad Rundgang durch das Haus erstellt, der nun, wie die Homepage, in drei Sprachen zur Verfügung steht. Gearbeitet wird außerdem an einem neuen Überblickskatalog zu unserer Sammlung, der im Spätsommer im Hirmer Verlag erscheinen wird. Im Lockdown hatten die Kunsthistoriker-Kollegen intensiver die Gelegenheit, uns mit dem Werk von Käthe Kollwitz auseinanderzusetzen. So sind die Textbeiträge alle bei uns im Hause entstanden. Das wird eine sehr schöne, lang erwartete Grundlagen-Publikation. Zudem sind wir dabei, die Sammlung zu digitalisieren. Es gibt also viel zu tun, und so fühlt sich der Alltag in den Büros auch ganz normal an. Das ändert sich aber, wenn man die Ausstellungsräume im Dunkeln und ohne Besucher betritt. Ein deprimierendes Gefühl.

Welche Folgen hat die Schließung für das Kollwitz Museum?

Fischer: Wir sind ein Bereich der Kreissparkasse Köln, die unsere Trägerin ist. Das gibt uns finanzielle Planungssicherheit. Allerdings gehen die Erlöse aus unserem Museumseintritt an das Käthe Kollwitz Haus in Moritzburg, das von uns initiiert und dauerhaft unterstützt wird. Da ist jetzt ein großer Teil weggefallen, aber die Kreissparkasse Köln hat ihre finanzielle Förderung für die Gedenkstätte aufgestockt.

Wie fällt die Bilanz nach der Wiedereröffnung aus?

Fischer: Wir hatten in den geöffneten Monaten gute Besucherzahlen. Gerade zur Art Déco-Ausstellung und zur Schau „Berliner Realismus“ sind viele junge Leute gekommen. Auch unsere Kollwitz-Sonderausstellung hatte viele Besucher, vor allem von außerhalb. Die meisten Kölner meinen ja, dass sie die Werke der Künstlerin bereits kennen. Aber auch hier waren die Zahlen gut. So können wir für 2020 eine gute Bilanz ziehen, die ohne die Schließungen noch besser ausgefallen wäre.

Welche Sonderausstellungen planen Sie für 2021?

Fischer: Die vertragliche Ausstellungsdauer der Art-Déco-Schau aus dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg bleibt zum Glück bestehen, so dass wir sie nach der Wiederöffnung noch zwei Monate lang zeigen dürfen. Dann folgt eine Fotoausstellung im Rahmen des Internationalen Photoszene-Festivals. Wir stellen Friedrich Seidenstücker vor, unter dem Titel „Leben in der Stadt“ zeigen wir schwerpunktmäßig seine Aufnahmen aus dem Berlin der Weimarer Republik, eine Kooperation mit der Stiftung Ann und Jürgen Wilde in der Münchener Pinakothek der Moderne. Im Sommer wird es dann die Kollwitz-Ausstellung geben, mit der wir unseren neuen Sammlungskatalog vorstellen und für die jeder Autor sein Kapitel kuratiert, und im Herbst haben wir Werke von Maria Lassnig aus der Sammlung Klevan zu Gast. Dazwischen freuen wir uns auf ein Wiedersehen mit Jan Kollwitz, dem Urenkel unserer Künstlerin, der seine neuesten japanischen Keramiken bei uns vorstellt. Außerdem schicken wir ja immer wieder Teile unserer Sammlung auf Reisen, so auch in diesem Jahr. Gerade arbeiten wir an Ausstellungen für Museen in Antwerpen und Kopenhagen.

Wie wird sich der Museumsbesuch durch die Pandemie verändern?

Fischer: Nach der Wiederöffnung im Mai waren die Besucher dankbar und begeistert, dass das Museum wieder offen war. Da gab es für uns sogar auch kleinere Geschenke wie selbstgekochte Marmelade. Viele Menschen haben uns ihre privaten Geschichten aus der Zeit des Lockdowns erzählt. Das kommt bei uns sehr häufig vor, weil viele vom Werk der Kollwitz auf eine ganz persönliche Weise angesprochen werden, nach dem Lockdown noch verstärkt. Die Menschen brauchen ihre Sehnsuchtsorte und sind froh, wenn sie diese wieder besuchen können. Dazu zählen auf jeden Fall auch die Museen. Social Media ist wichtig und wird auch von uns intensiver genutzt. Das kann aber den persönlichen Besuch und die unmittelbare Begegnung mit dem Original nicht ersetzen.

Für die Schulen waren Museumsbesuche in diesem Jahr kaum möglich.

Fischer: Wir arbeiten deshalb daran, unseren neuen 360 Grad-Rundgang um museumspädagogische Inhalte zu erweitern, die von Schulen genutzt werden können, wenn es ihnen nicht möglich ist, bei uns vor Ort zu sein. Das möchten wir auch über die Corona-Zeit hinaus anbieten.

Was macht Ihnen aktuell Sorgen und was Hoffnung?

Fischer. Sorgen macht mir die fehlende Planbarkeit, aber noch viel mehr das mutierte Virus. Hoffnung macht mir, dass durch die Impfungen wieder etwas mehr Normalität erreicht werden kann. Das würde die Menschen wieder aufatmen lassen.

Welchen Tipp haben Sie für die Menschen, die jetzt im Lockdown zu Hause bleiben müssen?

Fischer: Als Buchhändlers-Tochter würde ich sagen: lest Bücher und bestellt bei den kleinen Buchhandlungen. Man hat aber auch viele Titel im Regal stehen, die noch nicht gelesen sind. Dazu hat man nun die Zeit. Beim Lesen kann man abschalten und für eine Weile alle Probleme hinter sich lassen. Mein Tipp sind die großartigen Tagebücher von Käthe Kollwitz.

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