Bühne : „Man hat das Gefühl, sich jeden Tag im Kreis zu drehen“
Wie ist die Situation beim Schauspiel jetzt im zweiten Lockdown?
Stefan Bachmann: Eigentlich ist es wieder wie im Frühjahr. Wir können nicht vor Publikum spielen und damit fehlt uns als Theatermenschen die Grundlage unserer Arbeit. Allerdings können wir jetzt, anders als noch im ersten Lockdown, weiter proben. Damit schaffen wir die Voraussetzungen für ein professionelleres und umfangreicheres Streamingangebot. So setzen wir gerade die Wiederaufnahme meiner Produktion „Vögel“ filmisch um. Das geschieht mit einem neuen, spannenden Ansatz, der zwar ungewohnt ist, der aber dem Stück mehr gerecht wird. Das ist alles sehr arbeitsintensiv und braucht viel Zeit. Die ersten Streamingangebote gab es bereits im Dezember zu „Don Karlos“, „Früchte des Zorns“ und „Der große Diktator“. Nur so können es Theater in der Zeit des Lockdowns schaffen, sichtbar zu bleiben.
Wie ist das Feedback auf die neuen digitalen Angebote?
Bachmann: Das ist so unterschiedlich wie die Angebote selbst. Wir haben ganz verschiedene Ansätze gefunden, die weit mehr sind als nur eine Inszenierung abzufilmen. So gab es bei der Tanzperformance „All for one and one for the Money“ von Richard Siegal interaktive Aspekte. Die Zuschauer konnten sich für verschiedene Livestreams und Räume entscheiden und sich per Chat auch darüber austauschen. Beim Jelinek-Stück „Schwarzwasser“ hatten wir einen Theater-Parcours geschaffen, bei dem sich die Zuschauer von Station zu Station bewegen. Diese Monologe haben wir jetzt auch filmisch umgesetzt. Aktuell dreht die Regisseurin Pinar Karabulut ein mehrteiliges Filmprojekt zu Edward II und macht aus dem Bühnenstück eine Serie. Es gibt viele Lösungsansätze für die Digitalisierung des Theaters. Das Digitale selbst ist im Moment alternativlos. Allerdings ist das Liveerlebnis einer tatsächlichen Theateraufführung durch nichts zu ersetzen.
Wie sieht aktuell Ihr Berufsalltag aus?
Bachmann: Es ist sehr anstrengend, täglich diese Krise zu bewätigen. Man hat das Gefühl, sich jeden Tag im Kreis zu drehen. Es gibt immer wieder neue Prognosen, die man im Betrieb umsetzen muss. Dabei fahren wir auf Sicht, da wir nur einen sehr begrenzten Zeitraum vor uns überblicken können. Das macht es deutlich schwerer, am Theater zu arbeiten und neue Programme zu planen. Ich arbeite den ganzen Tag und habe viel zu tun. Nur manchmal frage ich mich, wofür mache ich das alles. Manche Menschen denken, dass Theater nur die Aufführung am Abend beinhaltet, dabei ist es ein langer und schwieriger Wege, bis es dazu kommt. Das den Menschen zu vermitteln, ist durch die aktuelle Krise noch schwerer geworden.
Wie geht Ihr Team damit um?
Bachmann: Das Team hat sich mit der Situation arrangiert und geht sehr kreativ mit den Einschränkungen um. Manchmal erwächst aus solchen Beschränkungen und der Fantasie mit ihnen umzugehen, neue Kunst, die helfen kann, Einschränkungen zu überwinden. Aber der Schauspieler ist auch ein soziales Wesen, der den Kontakt untereinander und mit dem Publikum vermisst. Ohne den Kollegen einmal umarmen zu können, wird er zum amputierten Wesen.
Was bedeutet die Krise für die Schauspieler?
Bachmann: Das Leben ist irgendwie festgefroren und man weiß nicht, wo das alles noch hingehen soll. Ich habe für die neue Spielzeit ab Herbst einige junge Schauspieler engagiert. Die waren sehr glücklich, weil sie sonst kaum noch Chancen bekommen, in ihrem Beruf zu arbeiten. Viele Häuser sind bei Neueinstellungen und Gastspielen im Moment sehr zurückhaltend. Besonders schwer trifft das die jungen und die freien Schauspieler – da geht es um Existenzen. Die Schauspieler, die fest engagiert sind, haben es da besser, auch wenn sie damit leben müssen, dass sie derzeit ihren Beruf nicht voll ausüben können.