Kunst Tragödie mit feinstem Pinsel und brillanten Farben

Köln · Es ist eine hochdramatische Szene, die sich auf diesem kleinformatigen Gemälde abspielt, das sich derzeit noch in der Restauratorenwerkstatt des Wallraf-Richartz-Museums befindet. Es erzählt die Geschichte von Phaeton, dem Sohn des Sonnengottes Apoll.

 Die Leiterin der Barocksammlung, Anja Sevcik, und der besondere Neuzugang.

Die Leiterin der Barocksammlung, Anja Sevcik, und der besondere Neuzugang.

Foto: step/Eppinger

Dieser glaubt, den Sonnenwagen seines Vaters lenken zu können. Doch er verliert die Kontrolle, kommt der Erde zu nahe und verbreitet dort sengende Hitze. „Der Erdboden platzt auf, trockener Sand liegt da, wo gerade noch Meer war“, so beschreibt der römische Dichter Ovid in seinen Metamorphosen die Situation, die zur großen Katastrophe wird.

Das Gemälde „Der Sturz des Phaeton“ stammt von Frans Francken d. J. (1581-1642), der zu Lebzeiten der bedeutendste Kabinettmaler Antwerpens war und der einer großen Malerdynastie entstammt. Die Malerei auf Kupfer gehört seit Kurzem zur Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums. Möglich wurde der spektakuläre Ankauf durch die finanzielle Unterstützung der „Freunde“, dem Förderverein der Museen Wallraf und Ludwig.

„Das Gemälde war ganz frisch auf dem Markt. Es befand sich zuvor als Leihgabe einer Familie in einem tschechischen Museum. Nun stand deren Sammlung bei Sotheby‘s in London zum Verkauf“, sagt die Leiterin der Barocksammlung, Anja Sevcik. Es habe ein wahres Bietergefecht mit einem anderen Bieter gegeben. „Der am Ende gezahlte Betrag war schon unser maximales Gebot. Aber der Preis ist trotzdem richtig gut. Das Kunstwerk wurde wohl bislang ein wenig übersehen, auch weil es vom noch jungen Frans Francken stammt, der gerade Meister geworden war. Man sieht das zum Beispiel bei den Proportionen, die noch nicht ganz stimmig sind.“

Von dem sehr gut erhaltenen Gemälde ist die Expertin trotzdem begeistert: „Francken verwandelt die Tragödie um Phaeton mit feinstem Pinsel und brillanten Farben in pure Augenlust. Er verführt uns mit seinem kleinen Format ganz bewusst zur Betrachtung aus nächster Nähe“, sagt Sevcik auch mit Blick auf die vielen Details, die das Gemälde wie ein Wimmelbild erscheinen lassen und ihm gleichzeitig eine große Tiefe verleihen. Das ist etwa beim Blick auf die gestrandeten Fische der Fall, die verzweifelt nach Luft schnappen, oder dem Goldstaub, der den stürzenden Phaeton umsäumt und als Sinnbild des Sonnenlichts dient.

Möglich wurde dies auch durch das Malen auf einer kleinen Kupferplatte. „Das ist eine sehr glatte Oberfläche, die sehr präzise und feine Pinselstriche erlaubt. Bei Holz oder Leinwand wäre das deutlich schwieriger.“ Um die Betrachtung aus der Nähe zu ermöglichen, soll es neben einem neuen Rahmen künftig auch hinter Glas kommen. Es ist ein ganz besonderes Werk: „Der junge Künstler war bei diesem Bild, das um 1606 entstanden ist, noch auf der Suche nach seinem Metier. Insofern ist es für Francken kein typisches Bild. Aber der junge Künstler an der Schwelle zur großen Karriere setzt damit wohl auch ein klares Statement und zeigt, dass er sich mit den Metamorphosen Ovids auch an die großen Geschichten heranwagt und dass er so zu Höherem ausersehen ist.“

Die Neuerwerbung füllt eine Lücke in der Wallraf-Sammlung

Der berühmte Maler war ein Zeitgenosse Rubens in Antwerpen. Er schuf mehr als 500 Werke und Francken-Werkstatt war als hervorragend organisierte Bilderschmiede ein prosperierender Familienbetrieb. „Es gibt kaum eine große Sammlung seit dem 17. Jahrhundert, die nicht eines oder mehrere Werke aus der Hand des flämischen Meisters ihr Eigen nannte oder bis heute nennt“, sagt Museumsdirektor Marcus Dekiert. In seinen Kabinettbildern dekliniert Francken die großen Themen der sakralen Bilderwelt ebenso variantenreich durch wie jene der antiken Mythologie. Farbenfroh und detailreich, dabei stets mit souveränem und flottem Pinselstrich befriedigt der Maler mit seiner Werkstatt eine eminente Nachfrage. Zu sehen ist das neuerworbene Gemälde im Wallraf erstmals ab dem 3. Juni in der Sonderausstellung „Sensation des Sehens“. Das Werk schließt in der Barocksammlung des Wallraf eine Lücke – es ist dort das erste Gemälde von Frans Francken d.J. Und es ist das erste auf Kupfer gemalte Werk.

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