Corona Jetzt brauchen wir einen langen Atem, um die Krisenmonate zu überstehen

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

 Jürgen Amann, der Geschäftsführer von Köln-Tourismus, ist seit dem 1. Februar im Amt.

Jürgen Amann, der Geschäftsführer von Köln-Tourismus, ist seit dem 1. Februar im Amt.

Foto: step/Eppinger

Jürgen Amann: Der November mit den neuen Beschränkungen macht die Lage sehr schwierig. Wir hatten im Sommer eine leichte Erholung und die Hotels hatten wieder eine Auslastung von bis zu 60 Prozent. Jetzt sind die Hotels erneut für touristische Übernachtungen geschlossen, nur noch Geschäftsreisende sind zugelassen und davon gibt es derzeit nur wenige. Bei den Restaurants und Hotels gibt es die Unterstützungszahlung von bis zu 75 Prozent des Vorjahresumsatzes. Bei vielen Kultur- und Freizeiteinrichtungen wird es dagegen sehr schwierig. 

Wie fällt der Vergleich zur Situation im Frühjahr aus?

Amann: Es ist eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Im Frühjahr dachte man noch, man kann Corona mit dem Lockdown adäquat bekämpfen. Die Leute waren hoch motiviert und haben die Maßnahmen entsprechend unterstützt. Jetzt breitet sich im Herbst beim Lockdown light eine gewisse Enttäuschung aus und die wirtschaftlich stark betroffenen Akteure im Tourismus empfinden, dass man nun in den Bereichen angesetzt hat, wo die Umsetzung am einfachsten war. Dabei hatten Gastronomie und Hotellerie sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen ihre Hausaufgaben gemacht, teilweise viel investiert und gute Hygienekonzepte umgesetzt.

Was bedeutet eine Verlängerung des Lockdowns über Ende November hinaus?

Amann: Blickt man auf das Gesamtjahr, dann hat sich die Zahl der Übernachtungen zwischen Januar und August halbiert. Es kommen keine internationalen Gäste und auch keine Geschäftsreisenden. Im Sommer gab es einen leichten Aufwärtstrend, der ist jetzt gestoppt. Die großen Adventsmärkte sind abgesagt und jetzt stehen auch die kleineren Formate zur Diskussion. Wichtig ist es jetzt, etwas adventliche Stimmung in die Innenstadt zu bringen, damit die Konsumenten kommen und den stationären Einzelhandel unterstützen. Nun sind alle gefordert, ihren Beitrag zu leisten, um das Jahr noch zu überstehen. Auch Gutscheine für Restaurants und Hotels zu verschenken, könnte hier helfen. Die Krise wird aber auch danach noch ihre Auswirkungen haben. Wir rechnen damit, dass wir erst 2023 wieder die Vorkrisenzahlen erreichen werden. 

Was tun Sie jetzt, um den Tourismus in Köln zu unterstützen?

Amann: Im Freizeittourismus gibt es die Kampagne #inKöllezeHus, die in den Nahmärkten den Ausflugsverkehr wieder ankurbeln soll. Bei den Geschäftsreisenden konzentrieren wir uns auf den Messe-, Kongress- und Tagungsbereich. Hier werben wir mit der Initiative ‚Cologne. Ready when you are‘ für Vertrauen in die Hygienekonzepte und die Leistungsträger der Tourismusdestination Köln. Die Hotels und Gastronomiebetriebe waren nicht der Ursprung des aktuellen Infektionsgeschehens.

Wie wird sich das Reisen durch Corona verändern?

Amann: Diese Krise ist die tiefste in der gesamten Nachkriegszeit. Bei den Geschäftsreisenden werden in den Bereichen Kongress, Tagungen, Messen und Workshops die digitalen Elemente immer wichtiger. Es entstehen gerade hybride Veranstaltungsformate. Aber ich bin mir sicher, dass wir hier wieder die alten Zahlen erreichen können. Der persönliche Kontakt vor Ort ist wichtiger als die Videokonferenz. Was wohl der Geschichte angehört, sind weite Flugreisen nur zu einem Termin oder einer Besprechung. Bei den Freizeitreisen wird die Nachhaltigkeit eine größere Beachtung finden. Da wird eher auf die lange Flugreise verzichtet und die Bahn für Städtereisen benutzt. So wird Deutschland als Reiseziel künftig ein anderes Ansehen genießen können, wovon auch wir mit unserer Destination Köln profitieren werden. Wir haben hier eine hervorragende Infrastruktur, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ein sehr breites Angebot wie zum Beispiel die Kölner Museen. Grundsätzlich bleibt aber, der Mensch will reisen und ist neugierig auf neue Dinge. Dazu kommt, dass man Sehenswürdigkeiten wie den Dom, den Eiffelturm oder die Tower Bridge einmal im Leben real vor Ort sehen und erleben will. 

Was kann jetzt für den Neustart geleistet werden?

Amann: Das ist zum einen kurzfristig das Krisenmanagement, um die touristische Infrastruktur zu erhalten. Da geht es jetzt um die Motivation aller Partner. Aktuell führen wir mit mittel- und langfristigem Horizont eine Zielgruppenanalyse durch, um das notwendige Rüstzeug zum Durchstarten nach Corona zu haben. Mit einer zielgruppenorientierten Ansprache, können wir die richtigen Gäste noch besser für Köln begeistern. 

Woher kamen die Menschen, die im Sommer für die Erholung gesorgt haben?

Amann: Im Juni und Juli waren es vor allem Leute aus NRW, die zu einem Tagesausflug nach Köln gekommen sind. Die haben die Stadt wieder für sich entdeckt. Im Spätsommer waren es Gäste aus ganz Deutschland sowie aus den Niederlanden und Belgien, die als Städtereisende nach Köln gekommen und für drei bis vier Tage geblieben sind. Hier hat sich die durchschnittliche Verweildauer merklich verlängert. 

Wann kommen die internationalen Gäste zurück nach Köln?

Amann: Bei den Gästen aus Übersee wie den USA oder China wird das wohl bis 2023 dauern. Da dauert es lange, bis sich der Markt erholt. Bei Gästen aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Österreich und der Schweiz wird das schon etwas früher der Fall sein. 

Was würden Sie den Menschen aktuell empfehlen?

Amann: Ein Tagesausflug nach Köln mit Unternehmungen an der frischen Luft ist auch jetzt möglich. Vielleicht sollte man aber auf die ausgetretenen Pfade verzichten und statt der Domplatte lieber Veedel wie Ehrenfeld oder Lindenthal besuchen. Auch der Melatenfriedhof oder das Rheinufer bieten sich an. Man kann in Köln noch viele Dinge neu für sich entdecken. 

Was macht Ihnen aktuell Sorge und was Hoffnung?

Amann: Sorge macht mir, dass die aktuellen Maßnahmen nicht stringent genug wirken. Es gibt keinen statistischen Beleg, dass Gastronomie oder Hotellerie die Infektionstreiber waren. Man solle vielmehr die Hauptrisikogruppen besser schützen. Wichtig wäre es auch ein Ausstiegsszenario zu haben – was soll passieren, wenn die Zahlen sinken? Außerdem fehlt für die betroffenen Wirtschaftsbereiche eine konkrete Perspektive. Die Unternehmer werden nur vertröstet – das ist nicht fair. Hoffnung macht mir, dass wir wieder an die Zahlen vor der Krise anknüpfen können, das hat schon die Erholung im Sommer gezeigt. Jetzt brauchen wir nur einen langen Atem, um die Krisenmonate zu überstehen.

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